Ein schwarzer Tag für Stuttgart

Stefan Mappus versucht seit längerem, der CDU ein konservativeres Gepräge zu geben. Jetzt hat der Ministerpräsident es geschafft. Seit der Nacht von Donnerstag auf Freitag wissen wir, was „konservativ“ für ihn heißt: Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke. Gegen Kinder und Rentner, gegen Aktivisten wie „Bürger“ gleichermaßen, die friedlich protestiert hatten. Hier findet der gute alte Obrigkeitsstaat eine neue Ausprägung. Das Ergebnis: 400 Verletzte. Ein junger Mann könnte gar ein Auge verlieren.

Das Milliarden-Projekt Stuttgart 21 wurde erst so richtig umstritten, als es alle parlamentarischen und juristischen Hürden genommen hatte. Erst dann nämlich sickerte manches durch, und erst dann wurde das Projekt teurer und teurer. Die offiziellen Kostenvoranschläge waren, so muss man heute sagen, von Anfang an nicht das Papier wert, auf das sie gedruckt waren. Nun ist es zwar nichts Neues, dass Infrastrukturprojekte teurer werden als ursprünglich veranschlagt. In der Jagd um öffentliche Aufträge rechnen Auftragnehmer eben gern sehr knapp, und wenn sie den Auftrag erst mal haben, kann der Staat natürlich nicht mehr zurück. Bei Stuttgart 21 aber ging es um eine Kostenexplosion um mehrere Milliarden, und das besorgt offensichtlich viele Bürgerinnen und Bürger, gleich welcher politischen Tendenz. Also demonstrierten und protestierten sie und verlangten einen Baustopp. Sie scheiterten – bisher.

Das Projekt mag alle relevanten Hürden genommen haben, aber die Bürgerinnen und Bürger hat es mehrheitlich offenbar nicht mitgenommen. Sie fühlen sich ausgeschlossen vom Entscheidungsprozess, und ihre Einwände – nicht zuletzt lautet der Vorwurf auf Kungelei – werden weiterhin nicht gehört. Der Ministerpräsident und sein harter Hund, Innenminister Rech, greifen daher zu einem bewährten Mittel des Obrigkeitsstaates: Gewalt. Doch Gewalt ist immer das Eingeständnis von Angst und Ohnmacht. Danach wird es ihm noch weniger gelingen, die S21-Gegner zu überzeugen, und es kann gut sein, dass er Ende März 2011 bei der Landtagswahl die Quittung für diese Politik bekommt. Die Bürgerinnen und Bürger haben seit längerem schon nicht mehr das Gefühl, dass die Politik ihnen zuhört und dem Willen des Volkes dient. Hier haben sie die Möglichkeit, ganz konkret einen Denkzettel zu verpassen. Ich denke, sie werden diese Gelegenheit nutzen.

Wiebke Walingen aus Stuttgart war dabei. Sie schreibt mir:

„Unglaublich was sich hier im Schwabenländle abspielt. Was ist geschehen? Oder vielmehr, was soll geschehen? 280 alte Bäume sollen gefällt werden, damit Platz für Stuttgart seinen unterirdischen Bahnhof bekommt. Aber eigentlich geht es nicht um die Bäume oder den schönen Park, zumindest nicht nur. Vielmehr geht es um die demokratischen Grundrechte und darum ein größenwahnsinniges Projekt zu stoppen. Dafür geht Stuttgart auf die Straße, vor den Bauzaun und in den Park. ENDLICH! Ich bin jetzt seit 8 Jahren hier und hätte es nie für möglich gehalten, dass das brave Stuttgarter Bürgertum geschlossen in den Widerstand tritt. Hier demonstrieren konservativeste CDU-Wähler neben Robin Wood Aktivisten, Rentner neben Schülern, Krawattenträger neben Biomarktkunden. Alle leisten friedlichen zivilen Ungehorsam – bunt und kreativ.
Ich war gestern Nachmittag im Park, um mit friedlich gegen die Provokation durch die Staatsmacht zu demonstrieren. Hier sollen Tatsachen geschaffen werden – koste es was es wolle. Ich bin geflüchtet als die Wasserwerfer in unsere Richtung fuhren und Reizgas eingesetzt wurde, um mich und meinen Sohn zu schützen. Die grausamen Bilder gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Unser Innenminister Rech spricht hier von rechtstattlichen Mitteln die verhältnismäßig sind. An diesen Mitteln ist nichts aber auch gar nichts verhältnismäßig! Die Eskalation geht hier nicht von den Demonstranten aus – es gibt sie nicht, die Radikalen, die Steine schmeißen und Autos anzünden. Das ist hier nicht das Schanzenviertel oder irgendein Chaos Tag, der dann politisch verurteilt und an den Pranger gestellt wird. Das hier hat wirklich eine breite Basis und dennoch wird hier Polizeigewalt eingesetzt, die durch nichts zu rechtfertigen ist.
Bisher hatte ich eigentlich immer ein ganz gutes Gefühl. Gestern hat sich das geändert. Ich habe gestern gewaltbereite Staatsgewalt erlebt die den Bürgern massiv Angst machen soll – mit Erfolg wie ich zugeben muss. Ein ganz schwarzer Tag für Stuttgart.“

Gunther Schirmer aus Leipzig hält dagegen:

„Diese Demo ist total daneben. Seit Jahren ist bekannt, was da gebaut werden soll. Keiner hat was dagegen gesagt. Und nun wo es losgegangen ist, fangen die an zu protestieren. Wenn jemand nicht merkt, dass das ein Wahlkampfprojekt der Grünen ist, ist er sehr naiv. Genau das Richtige für diese Protest-Partei der Claudia Roth. Wahlkampf pur. Und die Schwaben fallen darauf herein. Ich habe diesen Volksstamm für klüger gehalten.“

Wolfgang Lackinger aus Frankfurt:

„Wasserwerfer und Pfefferspray gegen Schüler und Alte, Hunderte von Verletzten,- das ist also die „Dialogbereitschaft“ a la Mappus. Dieser völlig überzogene Polizeieinsatz wird die berechtigte Kritik gegen dieses unsinnige milliardenschwere Bahnprojekt nicht erschlagen, sondern den Unmut in der Bevölkerung noch weiter anwachsen lassen.Eine Befriedung eines Konfliktes sieht auf jeden Fall anders aus. Die Auseinandersetzung in Stuttgart und die zeitgleiche Demonstration in Ffm.-Höchst für eine baldige Sanierung und Erneuerung des maroden Vorstadtbahnhofs sind sind 2 Seiten einer Medaille.Denn das Geld, das im Ländle zum „Bahnfenster“ hinausgeworfen wird, fehlt an anderer Stelle für notwendige und wichtigere Projekte ( Sanierung, Ausbau des Schienenetzes etc.).“

Margarete I. Voit-Franz aus Worms:

„Herr Mappus, was sind Sie für ein Mensch, was für ein Staatsbürger?! Stuttgarter Schüler, die in der Schule von Demokratie, von der Wahrung der Grundrechte hören, vom Grundgesetz, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist, die zu Mitgliedern einer Gesellschaft erzogen werden, wo die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung als oberstes zu respektierendes Ideal unseres Staates gelten – diese Schüler, die von ihrem Grundrecht des Demonstrierens friedlich Gebrauch machen, die lassen Sie von der Polizei zusammenknüppeln, mit Tränengas und Pfefferspray, mit Schlagstöcken und Wasserwerfern maltraitieren und verletzen. Kann so etwas wahr sein? Wissen Sie denn überhaupt nicht, was Sie da tun? Sie haben einen Amtseid geleistet! Statt für das Wohl der Bürger und die Wahrung der Grundrechte zu sorgen, sind Sie zum Sicherheitsrisiko geworden. So macht man aus dem Wertvollsten, was unsere Gesellschaft besitzt, unserer Jugend, staatsverdrossene und wütende Gegner unserer Gesellschaftsordnung. Sie lehren diese Jugend, daß sie mit demokratischen, friedlichen Mitteln nichts bewirken kann, daß sie den Institutionen nicht mehr vertrauen kann, daß sie nicht nur übersehen wird in ihrem Protest, sondern daß sie zynisch verachtet und brutal niedergemacht wird. Noch nicht einmal die physische Unversehrtheit dieser jungen Menschen ist in Ihrem Ländle mehr garantiert. Ich verachte Sie, Herr Mappus! Diese Jugend sollte Sie zum Teufel jagen! Ein Radikaler wie Sie hat in einer Demokratie nichts zu suchen, Sie sind vollkommen fehl am Platz, denn Sie wissen nicht, was eine Demokratie ist, Sie beschädigen die Demokratie. Sie wissen auch nicht, was Menschenrechte sind und schon gar nicht, wie man junge Menschen zu Staatsbürgern erzieht. Fragen Sie doch mal in Nordkorea an, dort braucht sicher der Nachfolger des Tyrannen Unterstützung. Sie wären der richtige Mann.“

Dr. Hans-Ulrich Hauschild aus Gießen:

„Stuttgart 21 – Demonstration kommt der bürgerlichen Mehrheit wohl zugute Ich fürchte man täuscht sich. Alles, was dort in Stuttgart geschieht, ist ein Schaugefecht für den deutschen, besonders den württembergischen, Stammtisch – übrigens ebenso wie das rüde Regieren von Frau Merkel seit einigen Tagen. Und erst seit jene Frau sich so demonstrativ hinter Stuttgart 21 gestellt hat, eskaliert die Szene. Die Politik gegen die „Faulenzer“, also die Hartz 4 – Empfänger und ihre Familien, die Reduzierung der Arbeitsmarktpolitik, die Entscheidungen zum Atomausstieg, die Gesundheitsreform und nun die polizeiliche Flankierung symbolisch dieser Politik wird der CDU den Beifall der großen Mehrheit der sog. Konservativen einbringen. Der FDP noch mehr. Auch wenn man meint, in Stuttgart gingen auch CDU-Wähler auf die Straße. Das Kalkül von Mappus und Merkel in perfide, da haben Sie Recht: das äußerst dialektische Spiel geht so: wir eskalieren ein wenig, können den Gegnern vorwerfen, Kinder instrumentalisiert zu haben und instrumentalisieren diese Kinder so selber. Quo vadis Deutschland? Denn erschreckend ist, dass man wieder vor der Polizei Angst haben muss. Denn diese ist ein Teil des Spiels: nicht nur das brutale Vorgehen der Polizisten ist tief beeindruckend, sondern die Arroganz, mit der es, unter Rückdeckung der CDU-Elite, gerechtfertigt wird.“

Stephanie J. Goldbach aus Berlin:

Treten Sie endlich zurück, Herr Mappus, und nehmen Sie die großkotzigen, schwachsinnigen und umweltzerstörenden Stuttgart21-Pläne direkt dorthin mit, wo der Pfeffer wächst! Den Kommentaren unter meiner Mail mit vielen Augenzeugenberichten zu der Gewalt gestern kann ich mich nur anschließen! Besonders folgender Aussage: „Zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR entwickelt sich die Bundesrepublik zu einer Diktatur von Vollidioten und Lobbyisten.“ Ich sehe auch langsam nicht mehr, wie sich die BRD noch von der DDR unterscheidet.
Leute wie Mappus sind die austauschbaren CDU-Politiker, die die Bürger bisher noch immer wiedergewählt haben, was aber zukünftig hoffentlich ein Ende hat! Diesen Herbst zeigen diese CDU-Leute ihr Gesicht noch unverblümter als sonst: Hier herrscht keine Demokratie, hier herrscht pure Diktatur. Auch noch Pferde werden für die Gewalt gegen das Volk missbraucht! Die Diktatur haben wir nicht erst seit gestern mit dem Auffahren der Wasserwerfer samt Tränengas gegen Babies, Jugendliche und Rentner. Was war 2007 in Heiligendamm? Was läuft sonst ab im Land bei jeder Forderung der Bürger, die der herrschenden Klientel nicht passt, wie aktuell mit dem Atom-Deal, auch durch den Atom-Lobbyisten Mappus? Aber: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Somit sehe ich den BW-Landtagswahlen mit Spannung entgegen und hoffe, dass sich spätestens dann das Personalproblem Mappus direkt mit erledigen wird.
Die Demonstrationen zu S21 mit ihrer Intelligenz und Gewaltlosigkeit verfolge ich mit viel Sympathie. Dem ist der Law&Order-MP Mappus natürlich nicht gewachsen, weder intellektuell noch menschlich. Die StaatsGEWALT muss erst Steinwürfe erfinden, um ihr Losprügeln gegen die bürgerliche Demonstration zu rechtfertigen. Auch ich bin eine Bürgerin, die schon lange die Schnauze gestrichen voll hat von Politikerarroganz, Willkür und Korruption.
„Rechtswidrige Gewalt, Misshandlung und Diskriminierung durch Staatsorgane sind Menschenrechtsverletzungen. Doch wenn die Täter Polizisten sind, gehen sie oft straffrei aus – in vielen Fällen auch in Deutschland. Zu oft bleiben die Täter im Dunkeln und der Staat tatenlos“, konstatiert Amnesty International Deutschland.“

Jens Gurrath aus Walzbachtal:

„Bisher gehörte ich zu den Befürwortern von Stuttgart 21, weil ich es als sinnvoll erachtet habe. Das gestrige Vorgehen der Polizei auf Anweisung der Landesregierung hat mich in den Grundfesten meines Demokratieverständnisses erschüttert. Das letzte, schon wenig vorhandene, Vertrauen in unsere Politiker ist komplett verschwunden. Es macht einer immer größer werdenden Wut Platz! Bei den „normalen“ Bürger wird gespart und sie werden behandelt wie der letzte Dreck. Und bei den Politikern und Bankern herrscht die Selbstbedienungsmentalität. Da werden von den EU-Abgeordneten mehrfach Gehälter abkassiert, die Banker die die Bankenkrise verursacht haben und mit unserem Steuergeld gerettet wurden, zahlen sich verboternerweise Extraprämien aus. Es werden Deals mit den Atomfirmen gemacht, bei denen die wieder Milliarden verdienen. Wir sichern mit zigMilliarden Griechenland ab und sparen das Geld bei unseren Kindern ein. Schande über solche Politiker.“

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23 Kommentare zu “Ein schwarzer Tag für Stuttgart

  1. In „Angriff auf das Bürgertum“ vom 2.10.10 hat der Kommentator
    Hebel mir aus der Seele gesprochen: Die Politiker, die sich auf demokratische Verfahren und Verträge berufen, verstehen nicht,
    dass die Legitimität für diese Gremien, Verfahren und Lobbyistenkreise hier in Stuttgart in Frage stehen. Und dass es
    demokratisch wäre, auf diesen Legitimationsverlust zu reagieren und eine Volksbefragung zuzulassen. Warum eigentlich nicht? Wo ist das Problem?
    Mir scheint das Problem, dass die Landesregierung eigentlich sehr genau weiss, was das Volk ihr sagen will. Die unverhältnismässige Gewalt und das Durchsetzen von „Recht und Ordnung“, das sich an rein formale Bestimmungen der Demokratie hält, ist ein Armutszeugnis, hinter dem sich massive Interessenverquickungen zwischen Politik und Wirtschaft zeigen.
    Demokratie in diesem Sinne nennen Forscher Postdemokratie: Verfahren, Institutionen bleiben gewahrt, aber der demokratische Wille des Volkes, Bürgerbeteiligung, politisches Teilhabe werden keinesfalls gewünscht.

  2. zu @ susi sorglos
    Ich habe den Kommentar heute auch gelesen und teile die Meinung die Hebel da geäußert hat eigentlich auch. Bin aber was die Schlüsse angeht die er daraus zieht nicht so optimistisch. Das was jetzt in Stuttgart passiert wird keinen nachhaltigen Einfluß auf die Deutsche Politik haben, meiner Meinung nach noch nicht einmal auf die Wahlen in Baden Würtenberg,da lasse ich mich mal überraschen.Das das Wunder passiert ist, das die Deutschen auf eimal in einer größeren Menge zu politisch Intressierten Leuten geworden sind, dem kann ich noch keinen Glauben schenken. In Stuttgart hat man schon immer mit der IGM beim Daimler gestreikt und dann in der Landtagswahl die Schwarzen gewählt. Das ist in der heutigen Zeit zwar nicht mehr der richtige Weg,aber das dieses so nicht mehr im nächsten Jahr sein soll glaube ich erst wenn ich es sehe.

  3. Wir feiern morgen den Tag der Deutschen Einheit. Doch vielleicht müßten wir einen neuen, nein, nicht Feiertag, sondern eher Trauertag einführen: den 1. Oktober 2010, als Tag der Deutschen Spaltung. Denn eine neue, eher unsichtbare Mauer (vor allem in den Köpfen) teilt unser Land: die zwischen Arm und Reich, Bürger-Protest und Staatsgewalt, Lobbyisten mit ihren Hofschranzen hier und sich verraten und verkauft fühlenden Bürgern da.

    Wurde nicht jahrelang zur aktiven Beteiligung, zum Bürgerengagement, zum Mitgestalten, zur Zivilcourage, aufgerufen? Aber was ist, wenn der Bürger diese wahrnimmt? Gilt Protest nur, wenn er sich innerhalb der Parteien äußert und dort bereits schon einer Vorabzensur unterliegt? Die an der ihnen – von wem auch immer – verliehenen Macht sich befindenden Politiker berufen sich auf „Pacta sunt servantas“ (Verträge sind einzuhalten). Doch wie sah das mit den Atom-Ausstiegsverträgen aus? Da hat man eher mit Conny Adenauer, frei nach dem Motto: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“, argumentiert und gehandelt. Bei Hartz IV will man schlauer sein als das Bundesverfassungsgericht, und trickst und täuscht was die Statistiken hergeben.

    Und bei Stuttgart 21? Ich will ein, vielleicht hinkendes Beispiel geben: Da beschließt eine Familie mit 2 halbwüchsigen Kindern in den frühen 90ern, ein Haus auf einem bestimmten, ihnen gehörenden, Grundstück zu bauen. Leider fehlt aber dann das Geld, es ergeben sich andere berufliche Konstellationen, und jetzt, nachdem die Kinder aus dem Hause sind, sagen die Eltern: Jetzt erfüllen wir uns unseren Traum, und wollen bauen. Allerdings –

    – der Architekt von damals ist inzwischen im Ruhestand, die alten Pläne wurden nie überarbeitet
    – Kinderzimmer werden keine mehr benötigt, und damit ist auch die Größe des Hauses fragwürdig geworden
    – Treppen sind bei den Eltern, inzwischen Ende 60, eher zum Problem geworden, also wäre barrierefreies Wohnen angesagt
    – eine Einliegerwohnung für eine Pflegekraft könnte eingeplant werden
    – sämtliche Daten wegen Heizung, Isolierung und Wärmebedarf aus den damaligen Planungen sind obsolet, wie der Sohn, inzwischen Fachingenieur für Klima- und Wärmetechnik errechnet hat
    – die Kommune hat festgestellt, daß sich früher auf dem Baugrund eine alte, verborgene Mülldeponie befand
    – neue Messungen im Zuge der Erschließung neuer Grundwasser-Vorkommen haben ergeben, daß die Wahrscheinlichkeit von Grundwasser-Einbruch in die Baugrube besteht, und nur mit immensen Mehrkosten für eine Abdichtung inkl. Drainage eine 50&ige Chance auf Dichtheit bestünde

    Wie bematscht müßten diese Leute jetzt sein, nach wie vor stur an ihrer Planung festzuhalten, und samtliche dem Bau entgegen stehenden Hinweise zu ignorieren?

    Übertragen wir das einfach auf Stuttgart 21 – runter gehen und ersaufen oder oben bleiben und viel Geld für sinnvollere Projekte übrig behalten?

    Doch vielleicht geht es ja eher um eine OMERTA (Schweigegelübde) a la Mafia? Qui bonum – wem würde es nützen? Der Stadt Stuttgart, die schon alle Hektar Bauerwartungsland verkauft und das Geld ausgegeben hat?
    Den Baufirmen, die Verantwortliche und Politiker möglicherweise mit Millionen-Beträgen schmieren? Der zur Standhaftigkeit stilisierten Ignoranz der Befürworter, eher eine „Nach-uns-die-Sintflut“-Mentalität?

    An einfache Doofheit mag ich, bei allen fundierten Argumenten der Gegner (wohlgemerkt, diese wollen zwar einen Ausbau bzw. Erneuerung, aber im Rahmen des alten Kopfbahnhofs), nicht mehr glauben.

  4. Der Protest gegen „Stuttgart 21“ offenbart die Krise des parlamentarischen Systems. Eine Krise, die durch die Parlamentarier selbst hervorgerufen wurde. Sie hören den Bürgern kaum noch zu, fühlen sich vor allem vermeintlich übergeordneten Interessen verpflichtet und nicken ab, was auf Ebene der Regierungen bzw. der Fraktionsführungen bereits vorentschieden wurde.

    Die Abgeordneten von CDU und SPD im baden-württembergischen Landtag haben mehrheitlich seit über einem Jahrzehnt sämtliche von der Bevölkerung artikulierten Vorbehalte gegen das gigantomanische Bahnhofsprojekt und dessen Verfilzung mit einseitigen wirtschaftlichen Interessen mit größtmöglicher Arroganz abgeblockt und zerredet. Immer nach dem unausgesprochenen Motto „Wir können alles – außer Demokratie“. Jetzt zeigen sie sich von den Protesten so überrascht wie vor 21 Jahren die DDR-Machthaber von den Montagsdemonstrationen. Ihre mutmaßliche Niederlage im März 2011 wird dazu beitragen, dass die überkommene politische Erbpacht bundesweit in Frage gestellt wird.

  5. Hier wird der Eindruck erweckt die Regierung arbeitet am Volk vorbei. Dabei bedauern meiner Meinung nach nur Anhänger von Parteien die die Bundestagswahl verloren haben dieses Ergebniss und machen Stimmung. Zu Stuttgart 21 habe ich eigentlich keine Meinung,aber die Bundesregierung macht zu großen Teilen das was von Ihr vorher zu erwarten war. Sie hat z.B. immer den privaten Krankenversicherungen oder der Atomenergie das Wort geredet. Das wirklich große Teile ihrer Wählerschaft nicht gewußt haben was sie tun und deshalb bei den nächsten Wahlen völlig anders wählen werden ist erst noch abzuwarten und für mich zu bezweifeln. Das sieht man letztlich auch an der Wahl in NRW. Das die CDU im März abgewählt wird glaube ich nicht. Da weden schon vorher die richtigen Themen plaziert werden

  6. in der sueddeutschen.de sagte bahnchef grube er sei ein engagierter verfechter der repräsentativen demokratie und er habe lange mit dem ba-wü ministerpräsidenten mappus geredet.

    da wundert mich nichts mehr, denn grube ist des wegen verfechter der repräsentativen demokratie, weil diese managern wie ihm die gelegenheit gibt mit den entscheidungsträgern in politik zu sprechen. die repräsentative demokratie gipfelt sozusagen in der 60ster geburtstagfeier des joseph ackermann im kanzerlamt.

    die verantowrtlichen gehen mit dem volk um, wie sie es mit ihren kindern mmachzen, wer bei tisch nicht spurt kriegt eine ohrpfeife. die sollten alle mal in den spegel schauen und dann zum psychiater gehen.

    man kann also sagen was mal will, die selbstherrlichen autokraten in ihren feinen zwirnen und handgenähten schuhen sind mit den aktionen in stittgart gerade dabei gerade mal wieder dabei sich selbst zu entlarven!

  7. Gibt es in Stuttart nicht die Möglichkeit ein Bürgerbegehren auf die Beine zu stellen? In der Gegend in der ich wohne wollte eine Mehrheit im Parlament an einer völlig unsinnigen Stelle einen Golfplatz bauen. Nachdem die Herren Politiker gemerkt haben sie dieses Ziel über eine Volksabstimmung kassiert bekommen haben sie ganz schnell ihr Vorhaben beendet. Ohne diese Möglichkeit die damals von der Regierung Eichel erst kurz vorher eingeführt wurde hätten die das aber mit Sicherheit durchgezogen.

  8. @hans
    leider ist ein Bürgerentscheid vom OB Schuster vereitelt worden, indem er noch während der Unterschriftensammlung für den einen Entscheid seine Unterschrift unter die Verträge gesetzt hatte, was dazu führte, dass ein Bürgerentscheid gerichtlich untersagt wurde. Das ist ja gerade der Grund weshalb so viele Menschen auf die Straße gehen.
    Ich sehe nur einen Ausweg aus dem Dilemma: Einen sofortigen Baustopp, Offenlegung aller neuen Fakten insbesondere der Kosten, Auseinandersetzung mit der Position der Kritiker, eine umfassende und sachliche Information der Bürger und dann eine Abstimmung in ganz Baden-Württemberg (nicht nur die Stuttgarter sind davon unmittelbar betroffen) über das Projekt.
    Ich schreibe das, obwohl ich eine Befürworterin von S21 bin. Nach wie vor bin ich der Ansicht, dass die Vorteile überwiegen. Man muss trennen zwischen dem Projekt selbst und der Art und Weise, wie die Politik versucht S21 mit Biegen und Brechen durchzusetzen. Letzteres ist ein Skandal.

  9. Voraussichtlich wird die jetzige Regierung bei der Landtagswahl abgewählt werden. Ob eine grün-rote Landesregierung dann das Projekt stoppen wird bzw. inwiefern sie dies dann überhaupt noch kann, ist eine der Fragen, die nicht geklärt ist (abgesehen davon, dass die SPD ja für S21 steht). Man sollte hier nicht zuviel erwarten. Frust und Enttäuschung werden bei den Gegnern des Projekts groß sein, wenn jetzt falsche Erwartungen geweckt werden. Zu erwarten ist, dass sich Grün-Rot in Ba-Wü nicht halten werden kann. Spätestens wenn eine grün-rote Landesregierung die Bildungspolitik durchsetzen möchte, die bislang in ihren Programmen zu finden ist (Gemeinschaftsschule bis Klasse 9), wird das Stuttgarter Bildungsbürgertum wie in Hamburg auf die Straße gehen.

  10. Wer eine Ansicht wie die von Herrn Hebel vertritt, legt die Axt an die Wurzeln unserer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie. Grundvoraussetzung für deren Funktionieren ist, dass Entscheidungen, die die demokratisch legitimierten Institutionen in den dafür vorgeschriebenen Verfahren gefällt haben, vom Bürger auch dann akeptiert werden, wenn sie ihm im Einzelfall nicht gefallen.
    Wer, wie die Gegner des Stuttgarter Bahnprojekts, über dessen Sinnhaftigkeit ich nicht zu urteilen habe, die Beteiligung im abgelaufenen Verfahren entweder verschlafen hat, oder, wie augenscheinlich eine größere Zahl der Gegner, seinerzeit noch zu jung waren, um am Verfahren teilzunehmen, ist gleichwohl nicht rechtlos. Er kann versuchen, die Mehrheit der Bevölkerung davon zu überzeugen, dass die Exekutive seinerzeit falsch entschieden hat. Auch dafür gibt es aber geordnete Verfahren. Wie das geht, haben gerade jüngst die Hamburger mit ihrem erfolgreichen Volksbegehren gegen die Einführung der Primarschule gezeigt.
    Keinesfalls aber gibt es, und hier ist Herrn Grube zuzustimmen, ein wie auch immer geartetes Widerstandsrecht gegen den Vollzug einer rechtlich einwandfrei zustande gekommenen Entscheidung. Wer Gegenteiliges behauptet, verkennt – böswillig oder aus Unkenntnis – den Sinngehalt von Art. 20 Abs. 4 GG.

  11. Wann wurde Stuttgart 21 (S21) demokratisch legitimiert? Als Pro Bahn-Mitglied kenne ich die fundierte Kritik an S 21 seit Jahren. Ich wende mich seit Jahren gegen S 21 und die Arroganz der Macht! In der Schweiz hätte sich kein Politiker getraut, sowas den Bürgern vorzulegen, weil die wirklich in einer Demokratie leben!
    Wo ist die Widerlegung zu den Aussagen vieler Verkehrsexperten, dass S 21 die Kapazitäten der Schiene im Vgl. zum modernisierten Kopfbahnhof reduziert;der Zulauf zu S 21 viel störanfälliger ist, als der zum Kopfbahnhof; auf 8 Gleisen nicht so viele Züge gleichzeitig stehen können, wie auf 16; Verspätungen im Durchgangsbahnhof nicht mehr abgewartet werden können; die Engpässe der Bahn an ganz anderen Stellen drücken; Zuverlässigkeit und und Berechenbarkeit der Bahn wichtiger sind als Höchsttempo auf wenigen Strecken!
    Noch kann für Stuttgart alles gerettet werden! Denn gerade im Bahnbereich sollte es immer eines geben: die Notbremse! Bahnchef Grube sollte dankbar sein, dass sich so viele Menschen für das Wohl des von ihm geführten Unternehmens einsetzen!

  12. Was ist Demokratie? Wenn ein milliardenschweres Projekt (S 21) mit Polizeigewalt gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt werden soll? Nach Überzeugung von Grube (DB), Mappus & Co ist es absolut demokratisch, wenn persönliche Vorteile und wirtschaftliche Interessen einer Minderheit mehr zählen als die Interessen der Bevölkerung. Wir sollen stillhalten, brav Steuern zahlen und uns einschränken, weil kein Geld für die Jugend, die Rentner, die Arbeitslosen etc. da ist. Bei S21 und der Minderheit von Profiteuren des Projektes spielen Milliardenbeträge keine Rolle. Welche enormen finanziellen Vorteile müssen wohl einige wenige durch S21 haben, dass sie mit einer solchen Triebkraft den Schlagstock, das Tränengas, die Wasserwerfer und das Pfefferspray der Polizei gegen die Bevölkerung einsetzen? Vielen Dank! Jetzt weiß ich, was Demokratie ist.
    Für mich heißt Demokratie jetzt: sofortiger Baustopp von S 21; Offenlegung aller Mauscheleien (Verträge, Gutachten, etc.); sofortige Volksabstimmung; kein Einsatz der Polizei gegen die Bevölkerung.

  13. Vieles von dem, was zu sagen ist, wurde bereits gesagt. Ich will nur die Dinge anmerken, die beispielhaft für die Mängel unserer Gesellschaft sind:
    – keine Partei ist so weit von der Basis entfernt, wie heute die CDU BWs;
    – die Politik wird bestimmt von den Parteien, wenn man aber weiss, wie schmal die Basis in den Wahlkreiskonferenzen ist, dann muss man für die Demokratie fürchten. In den USA, z.B., nimmt der Wähler über den Eintrag in die Wählerlisten einer Partei Einfluss, das funktioniert besser;
    – der Einfluss der Lobbyisten ist zu hoch und zu wenig transparent;
    – die Finanzierung öffentlicher Projekte ist nicht zeitgemäss; es darf nicht mehr zugelassen werden, dass geschönte Planungen abgesegnet und um jeden Preis durchgeführt werden; es sollte die Möglichkeit bestehen, wenn ein Projekt den Kostenrahmen über ein zu bestimmendes Mass übersteigt, dem Projekt das Geld zu sperren;
    – Pläne, die ein bestimmtes Alter übersteigen, ohne realisiert zu werden, müssen neu erstellt werden. In München Allach wurde ein „neuer“ Rangierbahnhof durchgesetzt, der nach uralten Plänen erbaut wurde. Jetzt wächst großflächig Gras darüber, denn er entspricht nicht modernen Anforderungen;
    – Angebote sollten auch ein „Verfallsdatum“ erhalten, was nützt ein Angebot auf der Basis der Verhältnisse von vor 10 Jahren;
    – Genehmigungsabläufe in den beteiligten Behörden sind logistisch zu straffen und mit einem Zeitlimit zu versehen;

  14. @12
    Ich möchte doch anmerken, dass es auch Bürger in Stuttgart gibt, die das Projekt befürworten. Ich halte natürlich nichts davon, es mit Gewalt durchzusetzen. Aber es zeugt von Übersteigerung, wenn sie schreiben „gegen den Willen der Bevölkerung“. Es ist ein Teil der Bevölkerung, der hier demonstriert! Die Argumente für oder gegen das Projekt haben nichts mit dem völlig falschen Polizeieinsatz zu tun. Man darf nicht alles in einen Topf werfen.

  15. Wäre es nicht makaber angesichts 300 Verletzter – man müsste Herrn Mappus dankbar sein für den Anschauungsunterricht, dass der „Knüppel aus dem Sack“ die notwendige Ergänzung darstellt zum „Tischlein, deck dich!“ der Frau Merkel im trauten Kreis der Atom- und Pharmalobby. Dass diese „Wunschkoalition“ für den tumben Bürger die Rolle des „Esel, streck dich!“ vorgesehen hat, der sein Gold auszuspucken und sonst den Mund zu halten hat. Und dass sie das Ende der repräsentativen Demokratie vornehmlich dann beschwört, wenn sie diese zuvor pervertiert hat: Etwa durch Geheimverhandlungen, bei denen der zuständige Fachminister schon mal vor die Tür gesetzt wird, wenn er kritische Fragen zu stellen droht.
    Nun gibt es aber kein Gold mehr auszuspucken – weder hinten noch vorn. Und selbst der Partei-Esel will seinen Mund nicht mehr halten. Da muss eben nach Merkels Beschwörungsformel „Standhaftigkeit“ bewiesen werden und der Knüppel für die Erkenntnis sorgen, was „repräsentative Demokratie“ auch heißen kann – Jugendlicher hin, Parteifreund her.
    So ist wohl Brigitte Fehrle (FR, 7.10.,S.13) zuzustimmen, die – nach der Brechtschen Devise – dieser Regierung empfiehlt, sich doch lieber gleich ein neues Volk zu wählen. Sie könnte es sich so ersparen, die nächste Wahl zur Abstimmung über „Stutgart 21“ deformieren zu müssen.
    Werner Engelmann, Luxemburg

  16. [S21 online & in print] Auf 1,5 Seiten hat die FR Beiträge zur S21-Debatte in der Leserbrief-Rubrik der Ausgabe 02-03.10.2010, S.26-27, veröffentlicht. Mit Name & Ort gekennzeichnete Beiträge waren vermutlich echte Leserbriefe; manchmal sieht man in der Presse auch Signaturen wie „{Name} über eMail“. Komische Ein-Wort-Signaturen lassen einen Blogbeitrag vermuten. Bei so einer Sammlung wäre eigentlich auch die Zeitangabe von Nutzen, damit die Leser die Beiträge besser einordnen können. Übrigens, S21-Satire bei DieWelt: [www welt.de/satire/article10112403/Militaer-gibt-Menschenversuche-in-Stuttgart-zu.html]

  17. Was Bahn, Stuttgart, Land und Bund am wenigsten haben, ist Geld. Spätestens angesichts der in Ihrem Bericht genannten Probleme wird es knapp, und Mittel für überfällige Verbesserungen der DB im Allgemeinen rücken in weite Ferne, wenn so viel davon in S21 gesteckt wird: Noch immer gibt es, außer bei ICE, keine einheitliche Qualität aller Bahn-Produkte. IC-Reisende etwa können von modernen Großraum- und Abteilwagen, die ihr Geld wert sind, bis zu hastig umlackierten früheren IR-Wagen aus den 80er Jahren, in denen sie im Sommer gebraten werden, alles abbekommen, ohne dass es auf Fahrplänen oder im Internet erkennbar ist. Und in den neuen Bundesländern fahren immer noch Reichsbahn-Regionalbahnen, im Westen „Silberling“-RB und -RE, mit kreischenden Klotzbremsen, in Rhein-Main S-Bahnen aus den 70er Jahren, gleich nebenan im Taunus oder in Baden/Pfalz fast neue, leise und bequem, für dasselbe Geld. Wird S21 wie geplant verwirklicht, wird der beschriebene Zustand für viele Jahre zementiert, dann reichen dort auch vier Gleise, weil die letzten überzeugten Regional-Fahrgäste entnervt das Weite suchen und die spätestens dann unbezahlbaren ICE das ganze Netz für sich haben.
    Dass nicht alles über Nacht besser werden kann, ist hinnehmbar, doch die Karten müssen auf den Tisch: Die eingesetzten Fahrzeuge müssen in Fahrplanheften und DB-Internetportal dargestellt werden. Fluggesellschaften zeigen auch die genutzten Flugzeuge und die Kabinenbestuhlung an. So kann jeder Fahrgast schon vorher sehen, was er für sein Geld bekommt. Wer sich rundum ehrlich behandelt fühlt, ist eher bereit, auch einmal Abstriche zu machen, kommt gern wieder und erzählt Anderen davon, die beste Werbung, die wenig kostet und viel bringt.

  18. Fakt ist: Stuttgart braucht einen neuen Bahnhof. Der alte ist veraltet und nicht leistungsfähig genug. Wie wirtschaftlich ein neuer Bahnhof sein würde ist doch eine der entscheidenden Fragen. Die veranschlagten 4,5 Milliarden Euro für einen neuen Bahnhof finde ich direkt ein Schnäppchen im Vergleich zu den Beträgen, die Banken in den Rachen geschoben wurden. Baden-Württemberg ist kein armes Bundesland und zahlt riesige Summen in den Länderfinanzausgleich-also wo ist das Problem, wenn ein Bruchteil(!) des Geldes in den Süden zurückfließt?

    Es gab für das Projekt ein Panfeststellungsverfahren, in dem auch Alternativen untersucht wurden. Die Anhänger behaupten, dass sich S21 rechnen wird auf die Zukunft hin gesehen. Wer kann das beurteilen?
    Die heute als Alternative propagierte Variante von „K21“ hat gravierende Nachteile. Zum einen würde es auch massive Bürgerproteste geben, wenn den Leuten klar würde, dass die neue Bahnstrecke direkt an ihren Häusern entlang führen würde, zweitens ist nicht geklärt, was K21 WIRKLICH kosten würde insbesondere in 10 Jahren. Und schließlich würde es mindestens 10 Jahre dauern, bis dieser Bahnhof überhaupt gebaut werden könnte. Das sollte einfach allen Stuttgartern klar sein. Wenn S21 nicht gebaut wird, gibt es erst mal NICHTS.
    Ich habe was S21 anbelangt mehr Vertrauen in die Ingenieure, die das Projekt jahrelang untersucht haben, als in diejenigen, die sich plötzlich quasi übernacht als Experten darstellen, aber genauso wenig Ahnung von den Details des Projekts haben wie ich.

  19. Eigentlich gibt es klare Verfahren, wie Käfer und fledermäuse umgesiedelt werden können, die die Planer und Erbauer von Stuttgart 21 offensichtlich nicht einhalten. Wenn bei einer so einfachen Sache schon etwas schief geht, was wird dann passieren, wenn es wirklich schwierig wird?

  20. Vor 15 Jahren konnte man dem Volk noch das Argument verkaufen, ein Kopfbahnhof koste zu viel Zeit wegen der Notwendigkeit „Kopf zu machen“. doch damals hatte die Entwicklung der Wendezüge schon begonnen. Man könnte annehmen, daß die Projektpartner haben diese Entwicklung verschlafen haben, aber das haben sie sicher nicht. Sie können nur nicht zugene, daß der Fortschritt stattgefunden hat, denn dann müßten sie auch zugeben, daß ihnen der wichtigste Teil der Geschäftsgrundlage abhandengekommen ist.
    Angela Merkel stand früher mal in dem Ruf, sich sehr schnell und gründlich in neue Sachgebiete einzuarbeiten. Doch wenn sie ausgerechnet im Zusammenhang mit „S21“ von Modernisierung und Zukunftsfähigkeit redet, zeigt sie, daß sie keine Ahnung hat, wovon sie redet. Ich habe Verständnis dafür, daß daß sie eine gründliche Auseinadersetzung mit solchen Sachthemen neben ihren Aufgaben als Kanzlerin nicht mehr schafft, doch dann soll sie wenigstens ihren Mund halten. Sie schadet sich selbst, wenn sie so unqualifiziert daherredet.

    Sie meinte am 9.9.2010, wir sollten „bereit sein, Nachteile in Kauf zu nehmen zum Wohle kommender Generationen“. Damit hätte sie wohl recht, aber „Stuttgart 21“ wird eine erhebliche Verschlechterung für das Schienensystem bringen, und dafür auch noch Nachteile in Kauf zu nehmen, ist wirklich zu viel verlangt!

  21. Eine sehr gute Zusammenfassung der Contra Stuttgart 21-Argumente habe ich hier gefunden —> http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4247/stuttgart-21-der-bahnhof-den-niemand-will-und-niemand-braucht

    Leider scheint auch die FR immer noch sich zu mühen, die Argumente beider Seiten auszutarieren, und begibt sich damit auf das Minenfeld der Vollstrecker eines der größten Unsinnsprojekte der Republik, größer noch in der Dimension als Wackersdorf, Kalkar oder Transrapid.

    Abgesehen vom löchrigen Untergrund, der Verheimlichung der Explosion der voraussichtlichen Kosten (Warum eigentlich alles unter Verschluß???) haben es weder Bund, Bahn noch Ländle so dicke, sich einfach mal einen schicken Untergrundbahnhof mit rund 60 km Untertunnelung, nebst Neubaustrecke zu leisten, und dann wahrscheinlich zu merken, welch grandioser Irrtum dieses Projekt war.

    Rund 10 Milliarden Euro Baukosten für Stuttgart 21, in den nächsten Jahren in Deutschland oberirdisch, auch in Stuttgart, hier für einen K 21, investiert in sinnvolle Streckenprojekte, wie die Mittelrheintal-Verbindung, die Strecke Karlsruhe-Basel, die Notwendigkeit der Verlagerung der Gütertransporte auf die Schiene, und vor allem für die überall maroden Nahverkehrsstrecken mit ihren kaputten Gleisen, Stellwerken, Waggons, Loks, Heiz- und Kühlsystemen, Automaten und und und, wären besser aufgewendet als in dieses unnötige Denkmal für Politiker und andere, welche die wichtige Frage, nämlich die nach der Nachhaltigkeit, nicht stellen wollen.

    Ich frage mich auch, wer ab 2025 in etwa dauernd von Paris nach Bratislava oder über Stuttgart nach Ulm und weiter nach München fahren soll; bei alternder und schrumpfender Einwohnerzahl, bei immer weniger Geld zum Ausgeben, bei moderner Kommunikation für Geschäftsreisende vor Ort?

    Nicht die Gegner von Stuttgart 21 verhindern irgendeinen ominösen Fortschritt, sondern die Befürworter: sie beharren auf einem Projekt aus den frühen 90ern für den Schienenverkehr ab dem 2. Drittel des 21. Jahrhunderts.

    Eine große Frechheit ist, hier noch von einem „ökologischen“ Projekt zu reden. Hunderttausende von Tonnen Feinstaub aus Baggern, LKWs, Tunnelbohr-Maschinen, Verdichtern, Rüttlern, Preßlufthämmern etc. – alles öko, oder was?

  22. Ein kurzer Blick in die jüngste Geschichte (1996), als es um die Transrapid-Strecke Berlin-Hamburg ging:

    „Ignaz Walter, Aufsichtsratsvorsitzender der Münchner Baufirma Dywidag und beim Transrapid von Anfang an dabei, ist an dem neuen Zahlengerüst nicht mehr interessiert. Er zog sich im März aus dem Wahnsinns-Projekt zurück.

    Seine Begründung erweist sich als vorausschauend. Die Arbeitsgemeinschaft Transrapid, polterte der risikobewußte Konzernherr damals, könne so viele Wirtschaftlichkeitsrechnungen machen, wie sie wolle, das beeindrucke ihn nicht. Walter kategorisch: „Da werden doch immer nur Hoffnungswerte bilanziert.““ [1]

    Dieselbe Augenwischerei mit denselben Mechanismen auch heute wieder: Kosten und Probleme kleinreden und kleinrechnen, Fahrgastzahlen (bzw. Personenkilometer) schönreden und schönrechnen, Alternativen schlechtreden und schlechtrechnen. Dazu aufwändige Lobbyarbeit in Politik und Presse, Angebote gutdotierter Posten, Diffamierung und Ausschaltung von Projektgegnern.

    [1] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9140449.html

  23. Am Samstag habe ich eine Interview in der FR gelesen mit Sittler und Schuster, das ich ausgesprochen gut fand. Sehr erheitert hat mich der Abschnitt, in dem klar wurde, dass Sittler die architektonischen Platzhalter im Modell für tatsächlich geplante Architektur hielt.
    Ich sehe eindeutig die stadtplanerischen und ästhetischen Vorteile für Stuttgart bei dem untertunnelten Bahnhof. Die Stadt wird im Augenblick zerschnitten durch die Gleise und den Bonartz-Bau. Dass dieser Punkt den leuten in anderen Städten wurscht ist, kann ich nachvollziehen. Ich kann allerdings nicht begreifen, dass ein Teil der Stuttgarter diese stadtplanerischen Vorteile einfach nicht sieht. Der Südflügel des alten Bahnhofs sieht aus wie „Prora“.
    Wollte heute jemand so einen Bahnhof bauen, hätte er keine Chance.

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