Wir müssen Schluss machen mit der Plutoniumwirtschaft

Es ist doch eigentlich ein Skandal: Die frühere Bundesregierung unter Helmut Kohl scheint Druck auf die Expertenkommission ausgeübt zu haben, die den Salzstock von Gorleben für seine Eignung als Atommüll-Endlager begutachtet hatte. In diesem Gutachten war die Rede von „Unsicherheiten in Bezug auf Eignungsaussagen“. Es sei festgestellt worden, „dass die über den zentralen Bereichen des Salzstocks Gorleben vorkommenden tonigen Sedimente keine solche Mächtigkeit und durchgehende Verbreitung haben, dass sie in der Lage wären, Kontaminationen auf Dauer von der Biosphäre zurückzuhalten“. Diese Bwertung wurde von den Experten der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt am 5. Mai 1983 mit Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und der Deutschen Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Endlagern (DBE) besprochen. Zu diesem Treffen kamen auch Vertreter des Kanzleramtes sowie des Forschungsministeriums, wie jetzt herauskam. Und gewissermaßen am nächsten Tag war aus der Vorsicht der Forscher folgendes geworden: „Die bisherigen Erkenntnisse über den Salzstock haben die Aussagen über seine Eignungshöffigkeit für die Endlagerung der vorgesehenen radioaktiven Abfälle voll bestätigt“. Aus politischer Motivation heraus, nicht mit wissenschaftlicher Behutsamkeit also ist Gorleben damals ausgewählt und die Erkundung alternativer Standorte ausgeschlossen worden. Ein Stoff für einen Öko-Thriller! 

Rudolf Dietmar aus Köln:

Herr Ortlam hat noch vergessen, zu erwähnen, dass auch der Anteil von Salzarten/-kristallen, die schon bei Temperaturen von 60 bis 80 Grad Celsius ihr Kristallwasser abgeben – also einen fließfähigen Brei hervorrufen -, in Gorleben sehr hoch ist. Dass die Herren Verwaltungsleute und Politiker so was nicht gerne hören und lesen, ist schon länger klar – wird aber auch immer schlimmer.

Insofern sind die Vorgänge im Nachhinein verständlich. Die damalige Presse spielt dabei eine unrühmliche Rolle: Diese Fakten waren durchaus in Fachkreisen bekannt, sind auch immer wieder geäußert worden; sie haben aber nicht dazu geführt, dass sich der so oft gerühmte kritische Journalismus in einer sauber geführten Presse-/Aktenrecherche damit beschäftigt hätte. Sonst hätten Herr Albrecht oder auch Herr Kohl wesentlich größere Schwierigkeiten gehabt, diese Standortwahl zu rechtfertigen. In den Anhörungstexten zum Genehmigungsverfahren nach Atomgesetz steht schon genug drin, was die genannten Kriterien entlarvte.“

Stephan Engelmann aus Darmstadt:

„Die von Ihnen erwähnte, nicht stattgefundene Suche nach einer alternativen Endlagerstätte fand deswegen nicht statt, weil die unionsregierten Länder Bayern und Baden Württemberg sich dagegen wehrten und darauf verwiesen, dass das Endlager Gorleben in atomrechtlichen Verträgen bereits festgeschrieben war und deswegen nicht nach alternativen Endlagern gesucht werden muss. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.“

Und in der mittlerweile berüchtigten Asse lagern 28 Kilo Plutonium, nicht neun, wie es in den Akten steht. Ein „Übermittlungsfehler“, heißt es. Dazu meint Dr. Helmreich Eberlein aus Flensburg:

„In der Asse lagern, wie sich herausstellt, nicht neun Kilo Plutonium, sondern 28kg. Die in den Papieren fehlenden 19 Kilo seien ein „Übertragungsfehler“. Nun ist Plutonium nicht irgendein Stoff. Es ist eine der tödlichsten Substanzen, die die Menschheit kennt: Ein Mikrogramm Plutonium reicht aus, einen Menschen sicher zu töten. Das bedeutet, dass die verschwundenen 19 Kilo bei hinreichender Verteilung ausgereicht hätten, 19 Milliarden Menschen auszurotten – also die gesamte Menschheit mehrfach! In der Hand von Terroristen wären diese 19 Kilo ein Erpressungspotenzial ohnegleichen. Auch wenn sie sie nicht für den Bau von Atombomben benutzt hätten, wozu sie auch getaugt hätten.

Was mich besonders beunruhigt, ist, dass eine solche Differenz bei der Menge eines derart gefährlichen Stoffes niemandem aufgefallen ist. Dann fällt es auch nicht auf, wenn solche Mengen echt entwendet werden und nicht nur in den Papieren verschwinden. Oder wenn sie schlicht versickern und in die Umwelt geraten. Wenn das so ist, darf man mit solchen Stoffen einfach nicht umgehen! Wir müssen Schluss machen mit der ganzen Plutonium-Wirtschaft. Die Atomenergie-Nutzung ist abzuwickeln, und zwar schnellstens, nicht erst nach noch mal 18 Jahren Laufzeit!“

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16 Kommentare zu “Wir müssen Schluss machen mit der Plutoniumwirtschaft

  1. Was einem bei der ganzen Sache auch noch zu denken geben könnte ist das die selben Leute die erzählen das die deutschen AKW die sichersten der Welt sind vor wenigen Jahren ähnlich begeistert von Gorleben und Asse waren

  2. moin zusammen,
    man kann der spd nur empfehlen jetzt druck mit der endlagerung und den schweinereien der damaligen umweltministerin merkel und ihrer cdu konsequent im wahlkampf zu präsentieren, nur so hat diese ehemalige volkspartei überhaupt noch eine chance einigermassen zu punkten.
    der innenminister kommt wöchentlich mit terrorwarnungen um das deutsche volk zu ängstigen, dabei würden nur ein paar minister gefährdet sein, doch die plutonium-endlagerung mit dem weiterbetrieb der akws betrifft das ganze volk und gehört ins endlager der geschichte,
    ausserdem sollte die spd aufhören um die linken herumzueiern, nur mit denen und den grünen kommt vielleicht wieder mehr soziale wirtschaftspolitik zum tragen
    mfg
    racingdug

  3. Zur Einlagerung des Plutoniums in der Asse wäre anzumerken, dass diese in der damaligen Zeit betrachtet werden muss; giftige Chemiekalien wurden zu diesem Zeitpunkt auch
    ohne Bedenken in der Nordsee verklappt.
    Einen Vergleich hier mit der Erkundung von Gorleben zu ziehen, ist in hohem Maße unstatthaft.

  4. Da es sich bei dem Thema „Endlagerung“ doch eher um ein Scheingefecht handelt, und es prinzipiell eher um die Frage geht, wie sicher der betrieb von Kernkraftwerekn ist, möchte ich auch noch hierzu Stellung nehmen.

    In Ihrem Artikel „Höheres Krebsrisiko um
    AKW“ nennt Vera Gaserow zwei Studien:
    die in Auftrag der Grünen erstellte Studie des Bremer Epidemologen und die Studie „Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken“.
    Ohne erstere Studie genauer zu kennen, vermute ich, dass sie an genau denselben Mängeln leidet wie die Kinderkrebsstudie.

    Zur Sache: letztes Jahr stellte ich zur Kinderkrebsstudie folgende Anfrage an das Bundesamt für Strahlenschutz:
    1) wurde lediglich ein Vergleich der Krebshäufigkeit zwischen KKW-Standorten
    und dem Durchschnitts-BRD-Gebiet vorgenommen
    oder
    wurde auch ein Vergleich der Krebshäufigkeit zwischen Standorten anderer Kraftwerktype (z.B. Wasserkraftwerk, Gaskraftwerk, Windparks) und dem Durchschnitts-BRD-Gebiet vorgenommen.

    2) wenn nein, warum nicht?

    3) wenn nein, können Sie ausschließen,
    dass eine erhöhte Krebshäufigkeit an Kraftwerksstandorten (von KKW oder anderen Kraftwerktypen) z.B. durch die Nähe zu Starkstromleitungen verursacht sein kann?

    Die Fragen wurden mir nicht (!) beantwortet; warum nur?

  5. @ Katja Wolf # 3
    Mensch fragt sich, warum die internationale Kontrolle, die ja auch in anderen Staaten funktioniert in Deutschland keine Beanstandungen fand.

    @ Katja Wolf #4
    Zur Zeit der Benennung Gorlebens als Endlager wurde uns hier in Dannenberg vom Beauftragten der Bundesregierung unter Helmut Schmidt namens Kuhlke versichert, dass das Dreibarrierensystem (unversehrte Tonabdeckung, keine Flüssigkeitseinschlüsse im Salz und das Nichvorhandensein von Carnallit) ein unverzichtbarer Teil der Endlagerung in diesem Salzstock sei. Jetzt scheint es sich darauf zu konzentrieren, dass da schon 1,5 Md € verbuddelt sind, die die Endlagerung in Gorleben erzwingen. Schon lange ist wissenschaftlich belegt, dass der Salzstock vom Grundwasser abgelaugt wird. Sollte Ihnen das nicht bekannt sein, empfehle ich Ihnen unter dem Namen Duphorn bzw. Grimmel im Netz nachzusuchen.

  6. Ich gestehe frei, Duphorn und Grimmel nicht zu kennen.
    Was allerdings augenfällig ist, ist der Versuch, mit aller Macht eine ergebnisoffene Erkundung des Salzstocks Gorlebens verhindern zu wollen.
    Eine weitere Erkundung von Gorleben wäre übrigens auch mit der Suche nach dem „bestmöglichen“ Standort vereinbar.
    Nur, dass diese Suche naturgämäß niemals zu Ende ginge.
    Mein Vorschlag:
    Nichtbesetzung des Ministerpostens des
    Umweltministeriums = Entlassung Gabriels)
    und erst eine Neubesetzung, wenn der bestmögliche Umweltminister gefunden wurde.

  7. @3 Katja Wolf,
    da müssen wir ja noch froh sein das niemand auf die Idee kam Plutonium in die Nordsee zu werfen.( wenn man das schon vergleichen will was ich aber nicht tue)

  8. zu@4 Katja Wolf,
    wenn Sie recht haben sollten mit Ihrem Verdacht betreffend Starkstromleitungen ist das auch kein Argument für Großkraftwerke (AKW) sondern für dezentrale BHK

  9. zu@8 Hans:
    ich gehe stark davon aus, dass ich mit meinem Verdacht recht habe.
    In der Tat ist das ein Argument für dezentrale Stromversorgung. Aber es gibt natürlich auch Gegenargumente.
    Natürlich werden Blockheizkraftwerke mit fossilen Energieträgern betrieben.
    Auch da schreien die Üblichen „CO2: Umweltgift“.

    Ich persönlich habe keine Probleme mit der Verbrennung von Kohle, da ich der allgemeinen Klimahysterie nicht verfallen bin; eine Abhängigkeit von Gas liefernden Ländern finde ich schon eher problematisch.
    Generell jedoch halte ich die Gefahr, die von Starkstromleitungen ausgeht für vertretbar; mit kleinen Kindern würde ich jedoch, wenn möglich, tatsächlich einen anderen Wohnort wählen.
    Insgesamt jedoch scheinen Kernkraftwerke umweltschonender als andere Großkraftwerke.
    Die Radioaktivität im nahen Umfeld von KKW ist z.B. nachweislich geringer als die in der Nähe von Kohlekraftwerken. Auch die giftigen Filter müssen übrigens deponiert werden.

  10. @ Katja Wolf
    Sie haben recht, wir produzieren auch ohne AKWs genug anderen Giftmüll. Um so mehr müssen wir unser Bewusstsein dafür schärfen, was wir in Zukunft mit welchen Mittel produzieren. Wahrscheinlich ist schon der PC vor dem ich sitze eine kleine Zeitbombe.
    Plutonium hat jedoch eine Halbwertzeit von 50.000 Jahren. Wer kann einen solchen Zeitraum überblicken? Bevor wir noch mehr von diesem Müll produzieren, müssen wir die AKWs so schnell wie möglich abschalten und uns ebenso weltweit dafür engagieren, dass diese „CO2-armen“-Energiespender anderen Technologien weichen.

  11. @ 6#

    Sehr geehrte Frau Wolf,

    grundsätzlich gibt es am Gorlebener Diapir nichts mehr „ergebnisoffen“ zu erkunden….so seit ca. 1990! Die geologische Faktenlage ist soweit hinreichend bekannt, dass die Lagerung von hochaktivem Müll grundsätzlich in Diapirstrukturen nicht praktikabel und die von mittelaktivem Müll nur in einem Idealdiapir (den ich in D noch nie gesehen habe) eventiuell möglich wäre.

    Die „Feinheiten“ der Barrieren sind so betrachtet Augenwischerei, genauso wie die Forderung nach einer sog. „ergebnisoffenen“ Erkundung; ein Selbstbetrug wie er nur bei unserer politischen Elite möglich ist.

    Was die Leukämie-Studien angeht, da existiert übrigens außerhalb der mangelhaften Kausalitätsanalyse noch das kleine Problem: Einige AKW sind nur Überbauungen hochgradig kontaminierter WK II Rüstungsaltlasten. Auffälige Erkrankungs-Häufungen gibts da auch ohne AKW!

    MfG

    Karl Müller

  12. zu 9@ Katja Wolf
    Die Frage Kohle oder Atom stellt sich nicht. Wir müssen einen 20
    Jahresplan aufstellen zu 100% erneuerbaren Energien.

  13. @ Katja Wolf

    Die PTB hat doch Professor Duphorns Gutachten zum Sazstock Gorleben umschreiben lassen. Da stand nichts von Eignungshöffiogkeit drin. Diese Vokabel wurde uns hier in Lüchow-Dannenberg als Kampfbegriff gegen Gegner des Projets um die Ohren gehauen. Erst der Verfasser einer Expertise zur Frage der Eignung des Salzstocks Gorleben, die im Auftrag der Linksfraktion im Niedersächsischen Landtag veröffentlicht wurde, brachte Licht ins Dunkel der Vertuschungen der Atomkraftbefürworter. Auch die hartnäckige Nachforschung von Kurt Herzog (der niedersächsische Abgeordnete der Linken und Umweltssprecher) zu Asse brachte die Schweinereien dort zu Tage. Warum wurde denn nicht wenigstens gleichzeitig nach anderen Standorten gesucht? Ach ja, Im Landkreis Lüchow-Dannenberg wohnen ja so wenig Menschen! Und das Wendland grenzte nach zwei von drei Seiten an die DDR. Die brauchte mensch ja nicht fragen. Uns hier fragten die Bonner Regierigen auch nicht. Es wurde einfach nach Bergrecht gegraben. Und jetzt soll entgegen allen Tatsachen der Gorlebener Salzstsock geeignet sein, weil die Sachzwänge es so vorschreiben. Das Atomrecht schreibt vorr, dass eine öffentliche Anhörung stattzufinden hat. Lilo Wollny hat genau beschrieben, welche Maßnahmen die Regierigen in Bonn und Hannover trieben, um alles zu vertuschen. Alles was sie gemutmaßt ist heute schwarz auf weiß in der FR als Tatsache nachzulesen.

  14. @ I. Werner
    Plutonium hat eine Halbwertszeit von knapp 25000 Jahren. Rechnet mensch mit 10 Halbwertsdzeiten bis zur Ungefährlichkeit sind alo ca 250000Jahre Sicherheit einzukalkulieren. Gabriel hat da aber sicher noch eine eerkleckliche Sicherheitsreserve bis 1 Mill Jahre eingebaut.
    @ Katja
    Die Abhängigkeit von Uranlieferungen finden Sie also nicht als Problem?!
    Meinen Sie etwa, Sie seien eine bessere Umweltministerin? Ich weißß, dass Gabriel 4 Jahre Zeit verstreichen ließ, um seine Vortstellungen umzusetzen. War es nicht die andere Seite der Regierigen, die sich vehement gegen derlei Vorschläge genaus so wie gegen die Vorschläge für einen Mindestlohn wehrten?

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