GDL: Das Streikrecht ist in langen Kämpfen erstritten worden

Gerade hatten wir hier im FR-Blog über die Qualität der deutschen Medienlandschaft diskutiert, da liefern zwei der deutschen Medien Beispiele dafür, was ganz gewiss nichts mit Journalismus zu tun hat. Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte die Durchwahl von Klaus Weselsky, Chef der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer, und rief ihre Leserinnen und Leser dazu auf, Beschwerden über den Streik dort persönlich vorzutragen. Nun kann man „Bild“ schwerlich als Qualitätszeitung bezeichnen, aber was hier geschehen ist, setzt trotzdem neue Maßstabe, und zwar in Sachen Hexenjagd. Ein anderes Medium, durchaus eines von Qualität, nämlich der „Focus“, stieß ins gleiche Horn und veröffentlichte Fotos von Weselskys Haus. Beide Aktionen sind abstoßend. Ich frage mich vor allem, was die „Focus“-Leute geritten hat, zur Hexenjagd zu blasen. Was hat der Wohnsitz des Gewerkschaftsführers mit Berichterstattung über den GDL-Streik zu tun?

Kaum einer hat Deutschland in den letzten Tagen so polarisiert wie Klaus Weselsky. In vielen Leserbriefen, die mich erreichten, finden sich Passagen, die nicht druckreif sind. Sind die Deutschen plötzlich alle lauter kleine Arbeitgeberlein? Ist denn da draußen keiner mehr fähig, von den am eigenen Leib erlebten Unannehmlichkeiten zu abstrahieren und die Leistung zu erkennen, die Weselsky mit seiner Mini-Gewerkschaft vollbringt? Große Teile Deutschlands klagen über zunehmende soziale Kälte, über Umverteilung von unten nach oben, über stagnierende Reallöhne bzw. über Löhne, die der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung hinterherhinken, und über eine Privatisierungswelle, die auch vor Gütern der Grundversorgung nicht Halt macht, über die Machtlosigkeit der Arbeitnehmer und die Zahnlosigkeit der DGB-Gewerkschaften, über Politiker, die schalten und walten, wie es ihnen gefällt, ohne dass ihnen jemand in den Arm fällt, und über Wirtschaftsbosse, die zunehmend wie Feudalherren auftreten. Dieses neoliberale Syndrom hat Deutschland voll im Griff; anderswo ist es noch deutlich härter ausgeprägt. Und Deutschland klagt darüber. Aber wenn einer kommt und etwas tut, was all diesen Tendenzen direkt entgegengesetzt ist, wird zur Hexenjagd auf ihn geblasen?

Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich verstehe die Deutschen nicht mehr. Zum Glück gibt es immer noch einige wackere Leserbriefautoren und autorinnen, die die ganze Angelegenheit meines Erachtens angemessen einschätzen. Der Streik wurde abgeblasen, nachdem die GDL vor dem Frankfurter Arbeitsgericht über die Deutsche Bahn gesiegt hatte, aber ich glaube, dass die Angelegenheit nachwirken wird.

Klaus Behnke aus Rödermark meint zum FR-Leitartikel „Tarifeinheit von oben geht nicht„:

„Herrn Stephan Hebel recht herzlichen Dank für den ausgewogenen und vielseitig beleuchteten Artikel zur Tarifeinheit.
Das Betriebsverfassungsgesetz und die Arbeitsstättenverordnung gilt für alle Arbeitnehmer in Deutschland. Im § 117 des Betriebsverfassungsgesetzes ist der Flugbetrieb ausgenommen. Es kann aber durch Tarifvertrag eine Personalvertretung errichtet werden. Der Tarifvertrag kann vom Gesetz abweichen, also qualitativ schlechter sein. So müssen Piloten und Flugbegleiter ihre eigene Betriebsverfassung, sprich Mitbestimmung, jeweils mit ihren Arbeitgebern aushandeln und eventuell dafür auch streiken. Für diesen Kraftakt ist eine starke Gewerkschaft nötigt. Das gleiche gilt für die Arbeitsstättenverordnung, in der Gesundheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen für alle Arbeitnehmer gesetzlich geregelt sind, nicht aber für Piloten und Flugbegleiter. Hier sollte Frau Nahles ansetzen und die Beschäftigten im Flugbetrieb mit allen anderen Arbeitnehmern in Deutschland gesetzlich gleich stellen. Es gibt keinen Grund für die Ausnahmen.
Allerdings müsste in diesem Fall ihr Ministerium selber denken und nicht, wie bei der Tarifeinheit, die vorgefertigten Formulierungen der Arbeitgeber abschreiben. Es hätten dann auch alle Fluggesellschaften in Deutschland die gleichen Kosten und nicht die Billig-Airlines, die keine Tarifverträge erlauben, den Wettbewerbsvorteil für sich. Gleicher Wettbewerb unter den deutschen Airlines wäre ja auch nicht schlecht. Dagegen versucht das SPD-geführte Arbeitsministerium, die Spartengewerkschaften in die große Masse der DGB-Gewerkschaften einzumassieren. Nur weil jetzt mal zufällig einige Streiks zusammenfielen, muss nicht gleich ein neues Gesetz her, das das Streikrecht aller Gewerkschaften einschränken wird.
Super, Frau Nahles, und herzlichen Glückwunsch an die Arbeitgeber. Arme Demokratiegesellschaft.“

Reiner Schulz aus Markkleeberg:

„Mir ist die ganze Kritik (Propaganda) in allen Medien gegen die Gewerkschaft GDL und die Lokführer zuwider. Wir haben doch Kapitalismus oder? Wenn sich die nicht das holen (was sie glauben, was Ihnen zusteht), bekommen sie es doch von einem Kapitalisten nicht von allein. Wie macht es die Regierung und das Parlament? Die nehmen es sich einfach (das Geld der Steuerzahler), ohne jemanden zu fragen. Ist das Demokratie oder gar Rechtsstaat? Absolut Nein. Wie vielen Menschen hat die Finanzmafia Schaden zugefügt! Manche haben sich vor Verzweiflung das Leben genommen. Alles nicht so schlimm, aber die bösen Lokführer muss man fertigmachen. Aus der Sicht unserer Gesellschaft muss sich die Macht der einzelnen Berufsgruppen noch erhöhen (auch der Berufsgruppen, die für diese Mafia die Häuser und Yachten bauen). Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass sich das arbeitende Volk viel zu viel gefallen lässt.“

Cornelius Schulz aus Marburg:

„Unisono, so scheint es zumindest, blasen Medien und Politik zur Jagd auf die GDL. Kaum einen Journalisten habe ich in den vergangenen Tagen erlebt, der nicht tendenziös berichtet, suggestiv interviewt oder gar den GDL-Chef mehr oder weniger subtil persönlich diskreditiert hat. Nicht die klassische Berichterstattung, nicht die seriöse Erörterung der Sache steht im Vordergrund, sondern der Applaus der Zuhörer-, Leser- und ZuschauerInnen. Platt werden Stimmungen von Reisenden aufgegriffen und verstärkt. Es wird nach Schuldigen gesucht für deren Dilemma. Schnell wird die einfachste Lösung – die GDL ist schuld – propagiert, damit wieder Ruhe herrscht und alles so bleibt, wie wir es gewohnt sind.
Das, was hier abgeht, würde man in einem Betrieb Mobbing und in sozialen Netzwerken Shitstorm nennen. Es ist beschämend, wie leichtfertig und verantwortungslos mit unserer Pressefreiheit umgegangen wird.
Dabei ist es nicht etwa irgend eine Lohnsumme, sondern das vom Grundgesetz garantierte Recht der Koalitionsfreiheit, um das es der GDL geht. Das sollte bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Streiks bedacht werden. Auch ob man die in der GDL organisierten Zugbegleiter – immerhin wohl fast ein Drittel – von der Koalitionsfreiheit ausschließen oder sie alternativ in eine „Einheitsgewerkschaft“ nötigen darf, sollte man nüchtern betrachten. Aber ich räume ein, dass man darüber streiten kann. Hilfreich ist es sicherlich, die Auffassungen der zuständigen Gerichte hierzu mindestens ebenso gewichtig, wie die Meinung betroffener Reisender in Erwägung zu ziehen. Vom Streik bei der Bahn bin ich übrigens selbst negativ betroffen, rate also nicht vom hohen Ross.
Dass dieser Streik so verheerende Auswirkungen hat, ist allerdings weder der GDL noch der Bahn zuzurechnen. Die grundsätzliche räumliche Mobilität gehörte vor noch nicht allzu langer Zeit zur staatlichen Daseinsvorsorge, weshalb sie, um sie gewährleisten zu können, auch von Beamten wahrgenommen wurde, die nach den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“ aufgrund ihrer besonderen Stellung bekanntlich kein Streikrecht haben.
Wer mit den meisten Politikern übereinstimmend meint, solche Infrastrukturaufgaben mit dem Ziel der Kostensenkung – und damit in der Regel der Lohnminderung – privatisieren zu sollen, ist letztlich auch für die Aushöhlung dieser Grundversorgung verantwortlich – nicht die Gewerkschaft, die von ihrer Koalitionsfreiheit Gebrauch macht und auch nicht die Bahn, die sich auftragsgemäß unternehmerisch verhält.
Die Auswirkungen des Streiks bei der Bahn sind insofern zwangsläufige Folge ihrer Privatisierung. Wir sollten uns dessen bei anderen Privatisierungsvorhaben erinnern.“

Ingrid Häusler aus München

„Die „Mammut-Streik-Aktion“ der GDL ist untragbar. Die gesamte Republik wird von dieser Klein-Gewerkschaft „in Regress“ genommen, nur um den Machtbereich dieses unberechenbaren Herrn Weselsky gehörig auszuweiten. Es ist nicht zu fassen, was hier passiert! Kosten von vielen Millionen Euro allein für die Wirtschaft, Belastungen ohne Ende für Pendler und Verbraucher! Man fragt sich, wo wir hier eigentlich leben? Und jetzt wird auch noch angedroht, den Mammut-Streik über die vier Tage hinaus auszuweiten! Will die GDL eine Art General-Streik ausrufen? Nur, aus Machtbesessenheit? Wegen einem derartigen „Luxus-Problem“ das ganze Land lahmlegen? Verkehrsstaus ohne Ende produzieren? Wo soll das enden? Die immensen Kosten zahlen wir alle! Der „feine“ Herr Weselsky natürlich nicht.
Das Verhalten, was dieser Herr kürzlich im Fernsehen gezeigt hat, war absolut unzumutbar. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Mann sich in etwas hinein verrannt hat. Er wird immer sturer, und hat jedes Maß, jedes Gefühl für das Ganze, für die Bevölkerung verloren! Ja, er scheint irgendwie Amok zu laufen. Und keiner stoppt ihn!
Dieser Mann muss gehörig in seine Schranken verwiesen werden. Er beschädigt in höchstem Maße das Ansehen der GDL, der Gewerkschaften überhaupt, und verhält sich geradezu gemeinschaftsschädigend! Dass er angesichts dieser Fakten von der Ausübung von „Grundrechten“ redet, ist geradezu ein Hohn!“

Wolfgang Schild aus Hanau:

„Es mag ja sein, dass die Streiks der GDL rechtlich zulässig sind. Es mag auch sein, dass sie (mittlerweile) unverhältnismäßig sind, weil die wirtschaftlichen Folgen immens sind. Nerven tun sie in jedem Falle. Es bleibt aber die Frage offen, wie lange die Lokführer ihrem Chef noch folgen wollen. Schließlich hätten sich die Bahn und die GDL zwischenzeitlich schon längst über Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen einigen können. Aber es geht Herrn Weselsky ja darum, auch für die Zugbegleiter einen eigenen Tarifvertragsabschluss zu erzwingen. Dann frage ich mich aber, warum Herr Weselsky nicht eben diese Zugbegleiter für einen eigenen Tarifabkommen streiken lässt, sondern die Lokführer das übernehmen müssen. Einfache Antwort: Es gibt in der GDL nicht genug Zugbegleiter, die streiken könnten, und außerdem würde es keiner merken. Die Zugbegleiter in der GDL sind also nicht kampagnenfähig. Ich bin gespannt, wann die Lokführer merken, dass Herr Weselsky seine eigenen Machtspielchen letztlich auf ihrem Rücken austrägt und wie sie dann reagieren werden.“

Ludwig Martin aus Gessertshausen:

„Ich halte den Bahnstreik für berechtigt. Alle reden nur vom Schaden der Bahn und keiner von der berechtigten Forderung der Gewerkschaft,für ihre Arbeitnehmer ein verbessertes Einkommen zu erhalten. Die Arbeitnehmer haben riesige Überstundenkonten anesammelt,für die es nie einen leistungsgerechten Ausgleich gibt. Vielleicht sollte die Bahn zusätzliche Mitarbeiter einstellen,um dies in Zukunft auszugleichen. So bedauerlich die Streikfolgen für die Bahnkunden sind, sind es doch Unbeteiligte im Tarifkonflikt, die sich da täglich äußern. Auch die Politik sollte sich mit Vorschlägen eher zurückhalten und neutral verhalten. Das Streikrecht ist von unseren Vorfahren in langen Kämpfen erstritten worden und sollte zum Wohle der Arbeitnehmer und Arbeitgeber erhalten bleiben. Wir sind zum Glück nicht in Amerika. Deren Beispiele sehen wir ja aktuell bei den Tochterunternehmen von Onlinehändlern. Einfach mal entspannt zu Hause bleiben und mit Fahrgemeinschaften den Reisebedarf decken.“

Peter Kuhn aus Hemsbach

„§ 226 BGB – Schikaneverbot: „Die Ausübung eines Rechts ist unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen.“ So weit, so gut. In diesem Fall werden jedoch mit „einem anderen“ nicht die Vehandlungspartner (Vorstand usw.) geschädigt, sondern Millionen von Bürgern, die auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen sind. Das sollten die Verantwortlichen der Gewerkschaft in ihre Überlegungen mit einbeziehen.“

Manfred Wetzel aus Agathenburg:

„Nun kann es wohl keinen Zweifel mehr geben – die FR ist Partei für Herrn Weselsky. Schon die Titel-Überschrift vom 18/19.10., S.1, „Kann denn streiken Sünde sein?“ war in diesem Kontext eine Ungeheuerlichkeit; und nun heißt es in der FR verniedlichend „Tschüss, bis Montag“.
Aber es sind nicht nur die Titel-Überschriften, – erstaunlich, was in der FR nicht steht: Der oberste DGB-Boss Hoffmann wie auch der IGM-Vorsitzende Wetzel kritisieren heftig Weselskys Streikgebaren. „Die Bahn habe versucht, der Gewerkschaft ‚die Nichtzuständigkeit für einen Teil ihrer Mitglieder‘ und einen Verzicht auf das Streikrecht zu diktieren“, so Weselsky, obgleich die GDL für die Zugbegleiter gar nicht zuständig ist. Und der Gipfel von allem: Dieser Apparatschik lehnt einen Schlichter ab und beruft sich stattdessen auf „einen einstimmigen Beschluss unseres Hauptvorstandes und der Großen Tarifkommission“.
Vom Ferienbeginn und Ferienende in acht Bundesländern über die Millionen und aber Millionen Berufspendler bis zu den Bahntransporten von Industriegütern nimmt dieser in seiner Wagenburg lebende Betonkopf die gesamtgesellschaftliche Realität nicht zur Kenntnis, sondern beklagt sich stattdessen über eine „Medienkampagne, weil wir mit unseren rechtmäßigen Streikmaßnahmen in die Nähe von Terroristen gestellt worden sind“ – man hört noch den O-Ton einer DDR-Sozialisation. Der DGB- und der IGM-Vorsitzende haben es klar ausgesprochen: Diese Streiks sind kontraproduktiv für das Gewerkschaftswesen selbst – und für Lohnabhängig-Beschäftigte, wenn bei Industrieunternehmen, aber auch bei der Bahn betriebsbedingte Kündigungen die Folge sind. Die GdL sägt am eigenen Ast, heißt es landauf landab – zu Recht.“

Horst Helfen aus Hamburg:

„Mittlerweile geht mir die Medienhatz gegen den GDL-Streik gehörig gegen den Strich. Es wird getan, als ob der Untergang des Landes bevorstehe, wenn in den nächsten vier Tagen nicht jeder Zug fährt. In Frankreich oder Italien würde man darüber nur lachen, da dort der Einsatz des Streikrechts als einzige Waffe der arbeitenden Menschen noch als Recht und nicht als „Erpressung“ angesehen wird, wie es hierzulande vielfach der Fall ist.
Besonders frech finde ich die Argumentation der Konzerne, dass ihre Just-in-Time-Produktion durch die Bestreikung des Gütertransports gefährdet sei. Schließlich haben sie selbst vor Jahren aus Kostengründen die Entscheidung getroffen, ihrer eigene Lagerhaltung zu minimieren und die Autobahnen und das Schienennetz als „rollendes Lager“ zu verwenden. Wenn man die (Kosten-)Vorteile dieses Systems gerne nutzt, darf man sich nicht über die Risiken (Streik) beklagen.
Ich selbst bin Mitglied der IG Metall und finde das Verhalten des DGB und seiner Gewerkschaften in der Frage „Tarifeinheit“, um die es ja in diesem Konflikt auch geht, inakzeptabel. Wenn die GDL bessere Bedingungen erkämpft, die auch den Mitgliedern, die nicht Lokführer sind, zugute kommen sollen, finde ich das nicht unsolidarisch – im Gegenteil! Dass ver.di sich in dieser Frage etwas mehr zurückhält als der Rest des DGB, liegt wohl auch eher daran, dass man die Gefahr sieht, in bestimmten Bereichen den Part der Minderheit zu spielen und daher nicht überall zu den Profiteuren des Gesetzes gehört.
Heuchlerisch ist die Argumentation der Arbeitgeber und ihrer Verbände, dass man einheitliche Tarifverträge in einem Betrieb haben möchte. Haben diese doch gerade im Metallbereich in der Vergangenheit reihenweise Dumpinglohn-Tarifverträge mit dem „CMV“ (Christlicher Metallarbeiter-Verband) abgeschlossen, um die IG Metall mit ihren relativ hohen Löhnen unter Druck zu setzen. Die Mitgliederzahl des CMV in diesen Betrieben war dabei jeweils sehr gering. Da war auf Unternehmerseite keine Rede von „Tarifeinheit“.
Dass man in den letzten Tagen versucht, den GDL-Vorsitzenden so hinzustellen, als ob es ihm nur um Machtgelüste ginge, ist nun völlig daneben, immerhin müssen 75 Prozent der Mitglieder einem Streikbeschluss zustimmen. Dass jetzt sogar Fotos von Weselskys Wohnort und die Telefonnummer seines Büros veröffentlicht wurden, zeigt wie weit die mediale Hetze vorangeschritten ist.
Auch die immer wieder aufgestellte Behauptung, dass die Fahrgäste „in Geiselhaft genommen“ würden, ist mehr als geschmacklos, angesichts der Tatsache, was gerade derzeit Menschen durchmachen, die in diversen Ländern tatsächlich als Geiseln festgehalten werden.“

Günther Kinscher aus Bebra

„Politiker, Medienvertreter und vor allem der DGB, werfen der GDL Machtstreben vor. Na und? Es ist doch legitim, über die Werbung neuer Mitglieder die Machtposition zum Erreichen der tariflichen Ziele auszubauen. Parteien werben um neue Mitglieder. Medien kämpfen um Zuschauer, Hörer und Leser. Nur dort heißt es nicht Macht, sondern Quote.
Wie verlogen die Diskussion geführt wird, zeigt der Machtkampf um die Tarifhoheit beim Darmstädter Energieversorger HSE. Dort tobt ein Machtkampf zwischen den DGB-Gewerkschaften Verdi und IG Metall um die Tarifzuständigkeit. Beide Gewerkschaften konnten sich nicht auf einen Zukunftstarifvertrag einigen, und die IG Metall schloss vor wenigen Wochen einen eigenen Tarifvertrag ab. Verdi folgte mit einem eigenen Tarifvertag einen Monat später. Zwei Tarifverträge von zwei DGB-Gewerkschaften für alle Beschäftigten in einem Unternehmen. So viel zum Kampf und der Unterstützung des DGB für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit. Wo es dem DGB und den Unternehmen passt, da wählen sie jeweils zwischen Tarifpluralität und Tarifeinheit. Der GDL wirft man bei einem solchen Verhalten Machtstreben vor – bei DGB-Gewerkschaften ist das normale Tarifkonkurrenz. Wer im Glashaus sitzt, sollte eben nicht mit Steinen werfen.“

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6 Kommentare zu “GDL: Das Streikrecht ist in langen Kämpfen erstritten worden

  1. Nein, ein Sympathieträger ist Herr Weselsky sicher nicht, aber in diesem Spiel ist er nicht der böseste Bube – der Titel gehört Personalvorstand Weber von der Bahn. Da redet man nach den ersten Streiks miteinander gerade auch über das Schlüsselthema ob die GDL auch für andere als nur die Lokführer verhandeln darf, und ist sich im Prinzip einig. Bis auf die Kleinigkeit, dass die GDL zwar reden darf, aber schon vorher akzeptieren muss, dass wenn es der DB und/oder EVG nicht gefällt, deren Ergebnis auch für die GDL bindend ist. Ergo Verhandlungen ohne Ziel? Schon ein friedlicherer Geist als Herr W würde da überkochen – und zwar zu Recht!

    Ergo geht Herr Weselsky massiv vor und macht gleich mal 4 Tage Streik fest. Die DB scheitert vor Gericht mit Verbotsanträgen, und obwohl ein Richter Herrn Weselsky einfringlich rät, zu verhandeln, gibt er ihm / der GDL gleichzeitig Recht. Als Herr Weselsky daraufhin den Streik vorzeitig beendet und somit eine klare Geste aussendet, hat Herr Weber nichts bessers zu tun, als zu sagen, dass „mit Hilfe der Gerichte“ der Streik abgekürzt wurde. Dies ist nicht nur falsch, sondern perfide – und mit diesem Mann soll man vertrauensvoll verhandeln?

    Der Indianerhäuptling Weselsky ist, sicher auch von seinen Truppen gedrängt, ans Verhandlungslagerfeuer zurückgekehrt. Er weiss aber auch – weisser Mann Weber spricht mit gespaltener Zunge. Möge die Öffentlichkeit das doch bitte auch verstehen.

  2. Bronskis Beitrag spricht fuer sich und mir aus dem Herzen. Danke fuer die klaren Worte. Weitere Kommentare eruebrigen sich fuer mich.

  3. Das Argument am 9. November, dem Tag des Mauerfalls zu streiken, oder eben nicht war wohl gewichtet. Das Interesse am Jahrestag war jedoch geringer als erwartet, die GDL hätte der Sache vom 9. November vielleicht besser mit einer Fortführung des Streiks gedient. Aber sowas weiß man erst hinterher, auf jeden Fall war der 9. November Verhandlungsmasse der GDL. Berlin am Gedenktag ohne S Bahn, ohne Bahnhof. Der Sache gedient wäre ziviler Ungehorsam durch die Streikenden und Betroffenen, das Chaos in der Stadt wäre vielleicht mit dem Chaos zu vergleichen, der letztendlich auch ein Teil des Mauerfalls war.

  4. Auch auf die Gefahr hin, daß man mir attestiert, dem „neoliberalen Syndrom“ verfallen zu sein, „soziale Kälte“ auszustrahlen oder auch ein „kleines Arbeitgeberlein“ zu sein – die soziale Kälte, die all den hier eingestellten GdL-Einpeitscherkommentaren eigen ist, empfinde ich als besorgniserregend. Hier wird gesellschaftliche Verantwortung zu Grabe getragen, gewerkschaftliches Spartenwesen in SpartenUNwesen überführt, als solle ein „Spartenstaat“ ausgerufen werden.

    Ich habe selbst einer Spartengewerkschaft angehört und weiß, was Verantwortung bei der Durchsetzung von Gruppeninteressen ist. Daß es ohne Verantwortung für die, deren Belange man beschädigt, einfach nicht geht. Wozu eben auch Arbeitskollegen gehören, aus deren Gemeinschaft man sich zwecks Durchsetzung von Kleingruppeninteressen abgespalten hat. Daß es keine Absolutheit des Rechts gibt, sondern Freiheitsrechte immer eingebettet sind in ein größeres Rechtsgefüge, in welchem der Zugewinn an Freiraum des einen zu einem Verlust an Feiraum für den anderen führt.

    Die Sache der GdL wäre vielleicht ein wenig anders zu beurteilen, wenn es buchstäblich um Sein oder Nichtsein als Gewerkschaft ginge. Tut es aber nicht. Bei einem angenommenen gänzlichen Scheitern der Spartenübungen kann die GdL jederzeit in die weit größere Schutzgemeinschaft aller Eisenbahner zurückkehren. Die GdL agiert so keck und opportunistisch, weil sie sich eines stabilen Auffangnetzes sicher weiß, in welches sie sich weich zurückfallen lassen kann, sollte sie beim Erklimmen des Machtpodestes scheitern.

    Gruppenegoismus beschädigt die Solidarität unter Arbeitnehmern, die einen gemeinsamen Arbeitgeber haben. Ein leider vergessener Gesichtspunkt, wenn ich die Kommentare der GdL-beflissenen Heißsporne lese. Und es verliefe ja im Kreise. Sollte die GdL Vertretungsmacht für andere Berufsgruppen erringen, hätte sie sich zurückverwandelt in das, wovon sie sich ursprünglich isolierte. Und das Spiel würde wieder von vorn beginnen. Die Arbeitnehmervertretung revolvierte lediglich innerhalb ihrer betrieblichen Organisationsform, ohne in ihrer Gesamtvertretungsmacht als Arbeitgeberantipode irgendeinen Raum dazugewonnen zu haben

    Gruppenegoismus, Entsolidarisierung und die Folgen für „Kollateralgeschädigte“. Keine Gewerkschaft darf diese Fragen ausblenden, und Spartengewerkschaften erst recht nicht. Was würden die Heißsporne und fanatischen Verteidiger von GdL-Weselsky sagen, wenn die Krankenhausärzte sich nach der Anerkennung als tariffähige Spartengewerkschaft entschlossen hätten, auf ein Gehaltsniveau von wenigstens der Schweiz zu gehen und dafür monatelang den Krankenhausbetrieb lahm zu legen ? Weseslky durch Montgomery ersetzt ? Ich möchte nicht die Verwünschungen hören, die den GdL-beflissenen Heißspornen dann gegen Montgomery und die von ihm vertretenen Krankenhausärzte eingefallen wären !

    Nein, ich kann die hier eingestellten Kommentare nicht sehr ernst nehmen. Nachdenklichkeit durch Haudrauf zu ersetzen funktioniert einfach nicht. Und Frustrationen, die sich der GdL als Ventil bedienen, sollten besser anders bekämpft werden.

  5. zu V. Grebe
    Die GDL ist aus meiner Sicht nicht denkbar wenn die Arbeitgeberseite nicht mit Ausgründungen und Splitterung von Unternehmen vorgemacht hätte wie man Gewinne maximiert ohne Rücksicht auf das was man damit auslöst. Dieses Vorbild ist ihnen wieder einmal kein Wort wert. Deshalb kann ich ihre Argumente als nichts anderes als vorgeschoben und einseitig ansehen. Sie haben selbst geschrieben wie die Argumente zu werten sind.

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