Radlerhasser vs. Fußgängerhasser

Was habe ich da bloß angerichtet! Ich habe den – zweifellos pointierten – Leserinbrief von Ortrud Decker aus Frankfurt (kommt gleich) zum Verhalten von Frankfurter Radfahrern nur mit Bauchgrimmen im FR-Leserforum veröffentlicht, denn ich bin selbst Radfahrer, und ich bin verdammt noch mal schon oft genug in Versuchung gewesen, mir eine ordentliche Hupe für mein Fahrrad anzuschaffen, um Fußgängern, die auf Radwegen spazierengehen, Müttern, die nebeneinander in lückenloser Phalanx ihre Kinderwagen spazierenfahren, und Hundebesitzern, die Gassiführen mit Leinelassen verwechseln, mal einen ordentlichen akustischen Schrecken einzujagen. Hab ich natürlich nicht gemacht, denn ich bin ein friedlicher Zeitgenosse, und mir ist sehr daran gelegen, mit meinen Mitmenschen auszukommen. Daher bedenke ich auf Wegen, die zur „Mischbenutzung“ ausgewiesen sind, dass Fußgänger sich nicht wie Autofahrer verhalten und sich eben nicht über die Schulter umgucken, ehe sie abbiegen. Ein solcher Weg ist das Frankfurter Mainufer (Nord), wo man sich ganz einfach arrangieren muss. Was meinerseits – ich schwöre es! – gewährleistet ist, so dusselig sich manche Fußgänger auch verhalten. Aber das ist nun mal ihr Recht.

Warum ich diesen Leserbrief von Ortrud Decker trotzdem veröffentlicht habe? Weil ich Frau Decker abnehme, dass sie sich über Radfahrer ärgert, und weil sie dafür Gründe und Beispiele liefert. Und – ich gebe es zu – weil es mir manchmal genauso geht. Manche Frankfurter Verkehrsteilnehmer scheinen nicht die geringste Ahnung davon zu haben, was die Farbe Rot im Straßenverkehr bedeutet. Man mag sich gar nicht vorstellen, dass dieselben Leute möglicherweise auch gelegentlich ein Auto benutzen. Solche Beobachtungen sind allerdings zwar ärgerlich, aber noch relativ harmlos, denn mit einem solchen Verhalten setzen Radfahrer ja vorwiegend ihr eigenes Leben aufs Spiel (und nehmen Schock und vielleicht Traumatisierung von Autofahrern in Kauf, auf deren Motorhaube sie vielleicht landen). Viel bedenklicher finde ich, dass es immer wieder Menschen gibt, die mit dem Fahrrad auf eine befahrene Straße einbiegen, ohne sich über die Schulter umzusehen, ob da vielleicht jemand kommt.

Es herrscht eine Art Krieg auf deutschen Straßen, und der gründet sich meiner Meinung nach – Leserbriefautor Oliver August aus Rödermark schreibt es unten – auf falschen verkehrspolitischen Weichenstellungen nach dem Krieg. Deutsche Innenstädte sind immer noch gezeichnet vom Kfz-Fetischismus der Nachkriegszeit. Anderen Verkehrsteilnehmern, Fußgängern wie Radfahrern, wird zu wenig Platz eingeräumt. Die Stadt Frankfurt bemüht sich, Lösungen für das Problem zu finden, aber es ist eben nicht so einfach. Insbesondere dann nicht, wenn Verkehrsteilnehmer sich aggressiv verhalten, wie Ortrud Decker und Bettina Schmitt berichten. Dabei wären Fußgänger und Radfahrer eigentlich natürliche Verbündete gegen den autodominierten Verkehr.

Mit Bauchgrimmen, wie gesagt, habe ich den Leserinbrief von Frau Decker veröffentlicht. Die Zahl der Zuschriften, die mich daraufhin erreichten, überrascht mich selbst. Ich hielt dies für ein alltägliches Ärgernis, über den andere Menschen – so wie auch ich – mit einem etwas bemühten Achselzucken hinweggehen. Doch anscheinend ist das Gegenteil der Fall: Viele Menschen ärgern sich über Radfahrer. Ihnen sei gesagt: Liebe Fußgänger – viele Radfahrer ärgern sich auch über Euch. Und wir alle zusammen sollten uns vor allem über die Autofahrer ärgern. (Autofahrer bin ich übrigens auch. Huch, das Thema ist kompliziert.)

Hier also wie versprochen der Leserinbrief von Ortrud Decker aus Frankfurt:

„Ja, wieviel und welchen Raum wollen sie denn noch? Sie fahren/rasen doch schon überall, in Fußgängerzonen, gegen Einbahnstraßen, auf Bürgersteigen (vorhandene Radwege werden ignoriert), über Fußgängerüberwege, über rote Ampeln, auf U-Bahnsteigen, in Bahnhofshallen, in Hauseingängen.
Als Fußgängerin fühle ich mich durch Radfahrer zunehmend gefährdet und habe sie mittlerweile herzlich satt. Ich habe es satt, bei jedem Schritt darauf achten zu müssen, ob ich aus irgendeiner Richtung von einem Radfahrer bedroht werde. Ich habe es satt, dass sie ohne Warnung und ohne zu klingeln haarscharf an mir vorbeisausen. Ich habe es satt, beim Aussteigen aus der U-Bahn fast überfahren zu werden. Ich habe es satt, auf schmalen Bürgersteigen oder in einer Menschenmenge Radfahrer neben mir gefährlich schwanken zu sehen, weil sie partout nicht absteigen wollen.
Lästige Verkehrshindernisse
All dies, scheint mir, können sich Radfahrer in Frankfurt ohne Risiko und ungestraft erlauben. Schließlich schonen sie die Umwelt. Dass Fußgänger dies ebenfalls tun, kommt ihnen nicht in den Sinn. Fußgänger sind für sie lästige Verkehrshindernisse, die, wie ich festgestellt habe, zunehmend angerüpelt werden.
Es kann nicht angehen, dass eine Gruppe von Verkehrsteilnehmern die Territorialherrschaft über den öffentlichen Raum für sich beansprucht, sich aber weigert, Verkehrs- und Anstandsregeln einzuhalten. Ich werfe nicht alle Radfahrer in einen Topf, aber fundamentale zivilisatorische Errungenschaften wie Höflichkeit (auch gegenüber Autofahrern, bitte) und Rücksichtnahme auf Schwächere (die Fußgänger) sind im fanatischen Sendungsbewusstsein vieler dieser Umweltschützer auf der Strecke geblieben, zusammen mit dem Unrechtsbewusstsein.
Deshalb plädiere ich dafür, dass Radfahrer Nummernschilder bekommen, damit die Rüpel unter ihnen und diejenigen, die andere Verkehrsteilnehmer gefährden bzw. verletzen, identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden können.
Außerdem plädiere ich für eine Radfahrsteuer. Die Radwege und die Parkgelegenheiten werden seit Jahrzehnten von der Allgemeinheit finanziert. Es wäre nur gerecht, wenn das immer mehr anwachsende Heer der Radfahrer einen eigenen Beitrag leisten würde. Autofahrer zahlen Steuer und Parkgebühren. Fußgänger zahlen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Nur Radfahrer zahlen nichts, wollen aber alles. Und schließlich plädiere ich für mehr Raum und Sicherheit für Fußgänger. Ein „Tag des Fußgängers“ ohne Kfz- und Fahrradverkehr sollte einmal monatlich eingeführt werden.“

Darauf erreichte mich zunächst folgende Zuschrift von Oliver August aus Rödermark:

„Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, wenn sich Mitmenschen wie Frau Decker über rücksichtslose Radfahrer mokieren. Diese gibt es zweifelsohne, wie auch bei Kfz-Fahrern, Fußgängern, ÖPNV-Nutzern …
Ich wende mich auch keinesfalls gegen Fußgänger – aber das Schreiben von Frau Decker finde ich schon ein starkes Stück.  Leider schert Frau Decker – entgegen ihrer eigene Aussage – alle Radfahrer über einen Kamm und verallgemeinert doch sehr stark ihre Sicht der Dinge. Ich habe z.B. noch keinen einzigen Radfahrer mit „fanatischem Sendungsbewusstsein“ kennengelernt.
„Fußgänger zahlen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel“ ist ein Widerspruch in sich – und ich zahle z.B. selbst dann Kfz-Steuer, wenn ich gerade Fahrrad fahre. Für Fußgänger werden seit vielen Jahrzehnten Bürgersteige gebaut – zahlt diese dann der Öffentliche Personennahverkehr?
Eine Steuer auf das Radfahren – das wäre optimal, um diesen positiven Trend schnellstmöglich wieder abzuwürgen, damit sich wieder mehr Verkehrsteilnehmer ins Auto setzen. Ebenso die Forderung nach auto- und fahrrad-freien Tagen – sind dann auch Busse und Taxen verboten?
Sehr geehrte Frau Decker, ich arbeite selbst in Frankfurt und könnte ein sehr günstiges Jobticket bekommen. Doch was nutzt mir das, wenn ich selbst im günstigsten (also seltenen) Fall mit dem ÖPNV für die über 20 Kilometer deutlich länger brauche als mit dem Fahrrad? Und zu ungünstigen Uhrzeiten auch mal fünf Kilometer mehr laufen muss, weil eh kein Bus mehr zur S-Bahn-Station fährt?
Komischerweise regt sich niemand darüber auf, wie viel Platz der rollende und ruhende Kfz-Verkehr einnimmt. Wären die Städte in den Jahrzehnten nach dem Krieg nicht so sehr auf den Kfz-Verkehr ausgerichtet worden, gäbe es heute mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer. Radfahrer haben nämlich ein ganz ähnliches Problem wie Fußgänger: Auch sie gehören zu den „Schwächeren“ und müssen ständig aufpassen, dass sie nicht unter die Räder kommen in der Auto-optimierten Stadt.
Und auch wenn es immer mehr Radwege gibt – ich habe den Eindruck, dass sich die Gesellschaft hier schneller ändert als die dazugehörige Infrastruktur.
Statt das Radfahren zu verdammen, sollte das Ziel sein, auch dieser Verkehrsart den nötigen Raum einzuräumen – zumal Radfahren nun einmal wirklich sehr effektiv und emissionsarm ist. Darüber hinaus leiden sehr viele von uns ohnehin unter der „Zivilisationskrankheit“ Bewegungsmangel – wer Rad fährt, tut nicht nur der Umwelt Gutes.“

Dagegen bekennt Richard Müller-Grundschok aus Frankfurt:

„Auch ich habe Radfahrer satt! Selten hat mir ein Leserbrief so unumwunden aus der Seele gesprochen wie der von Frau Decker: Herzlichen Glückwunsch, gnädige Frau, Sie haben den Nagel auf dem Kopf getroffen.
Wenn Radfahrer, sofern sie Zeit haben, diesen Leserbrief lesen, werden sie sich selbstverständlich vollkommen falsch verstanden fühlen, dies als Gotteslästerung ansehen, etc. etc. etc. Doch, die Masse legt leider eine maßlose Arroganz an den Tag! Egoismus ist steigerungsfähig – Leute seht auf diese Stadt!
Die politischen Konsequenzen werden sich bei der Einstellung „unseres“ Verkehrsdezernenten allerdings auf sich warten lassen, denn er erhofft von seinen grün angemalten Schwarzen Stimmen für die nächste Wahl und kann somit dieses Klientel nicht verprellen. Es ist immer für entsprechende Gemüter einfacher, Politik für eine begrenzte Klientel zu machen, als für 650.000 potentielle Fußgänger in Frankfurt am Main; auch hier weist Frankfurt viele Baustellen auf.
Hoffentlich findet nicht erst ein Umdenken statt, wenn ein Fußgänger auf dem Zebrastreifen so über den Haufen gefahren wird, dass er schwere Folgen für den Rest seines Lebens davontragen wird.
In Freiburg versucht man Herr der Lage zu werden, in dem man Polizisten in Zivil einsetzt, die dann ihre Kollegen über die Verkehrsrowdys informiert, um sie dingfest zu machen. In Frankfurt undenkbar, hier gibt es nur partielle Kontrollen, der Rest wird wahrscheinlich grundsätzlich von „oben“ unterbunden; sie könnten das Image, übrigens wessen, schädigen.
Herr Majer: Politik sieht anders aus!“

Hedda Topp aus Frankfurt setzte mich auf den Pott:

„Welche der vielen Leserbriefe, die die FR täglich erhält, sind es eigentlich wert veröffentlich zu werden? Ist es der Brief der Beamtin zur Anerkennung eines weiteren Kinderbetreuungsjahres für Rentner, der vor Arroganz triefte, Tatsachen verdrehte und Beamte als die besseren Menschen darstellte? Ist es der Brief der Leserin vom 10.9, der vom Hass gegen die Radfahrer getrieben zu hirnrissigen Forderungen führte?
Solche Briefe in seriösen Zeitungen bleiben nicht ohne Wirkung. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, dass in Zeiten unseriöser einseitiger Radfahrerbeschimpfung Bürger sich korrekt verhaltene Radfahrer attackieren. Mehrmals wurde ich schon beschimpft, obwohl ich mein Rad schob. Mein Mann wurde einmal absichtlich vom Rad geschupst. Wir sind Rentner und keine rasenden Rennradfahrer. Auf diese Briefe sollte man verzichten, sie sind unter dem Niveau der FR. Sie bringen keine neuen überlegenswerten Gedanken. Im Gegenteil, mancher könnte auf böse Gedanken kommen.“

Bettina Schmitt aus Wöllstadt:

„Ohne mich zu sehr aus dem Fenster zu lehnen: Frau Decker wird leider eine hohe Anzahl von Widerspruch erfahren. Das was die Gute berichtet entspricht meinen Erfahrungen und, kann sicherlich von vielen erschreckten Opfern dieser „Mein Rad ist mein Castel“-Chaoten bestätigt werden. Frau Decker, Sie sind meine Heldin! Das unter dem Eindruck: Kurz nach 10 Uhr in Heddernheim. Die Gegenfahrbahn ist ausdrücklich gesperrt. Ich bin mit meinem Pkw in der Baustellen-Engstelle. Die verbotenerweise entgegen kommende Radlerin zwingt mich zum Halten. Das wiederum führt dazu, dass der mich nun überholende zweite Radler beschimpft.“

Bertram Giebeler vom ADFC Frankfurt:

„Irgendwie hat Frau Decker den Gag bei der ADFC-bike-night nicht ganz verstanden. Dass wir mal über die Autobahn fahren, kommt einmal im Jahr vor, als Spezialeinlage der Fahrraddemo „bike-night“. Keine Sorge, im Alltag fordern wir das nicht. Also kein Grund, gleich den pawlowschen Anti-Radler-Reflex rauszulassen. Lieber erst mal den Schaum vom Mund wischen!
Ich könnte mich auch ständig aufregen über zugeparkte Radwege, durchbretternde Autos in Tempo-30-Zonen, handyquasselnde Fußgänger auf dem Radweg, Erbrochenes und Pöbeleien in der S-Bahn – deshalb meckere ich aber nicht pauschal alle Autofahrer, Fußgänger und Bus/Bahn-Fahrer als Rüpel an.
Übrigens fährt die Mehrheit der Deutschen Rad – die einen mehr, die anderen weniger. Radfahrer sind keine „öko-radikale Minderheit“. Im Gegenteil, immer mehr Leute fahren immer öfter Rad, weil sie begriffen haben, dass es schnell und vernünftig ist.“

 

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16 Kommentare zu “Radlerhasser vs. Fußgängerhasser

  1. Ich bin dafür, dass alle Radfahrer einen Heiligenschein verliehen bekommen, weil sie laut Herrn Oliver August diejenigen sind, die die Welt retten!
    Spaß beiseite: Es ist verwunderlich, mit welcher Selbstgerechtigkeit viele(ich sage bewusst nicht alle) Radfahrer unterwegs sind. Wenn sie selbst, was zugestandenermaßen häufig vorkommt, Opfer sind, wird ein riesiges Lamento erhoben. Das erlaubt ihnen aber noch lange nicht, selbst Schwächere, nämlich Fußgänger, zu bedrängen, zu erschrecken und zu gefährden. Dabei wäre das Problem doch so einfach zu lösen: Alle, Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger, halten sich einfach an die Straßenverkehrsordnung. Dann würden plötzlich alle Radfahrer an roten Ampeln und Zebrastreifen anhalten (welcher Traum!), sie würden das Prinzip rechts vor links beachten, sie würden nicht, egal, ob Radwege existieren oder nicht, überall Bürgersteige bevölkern und sie würden vor allem auf Wegen, die sie gemeinsam mit Fußgängern nutzen, dem Prinzip des verkehrsberuhigten Bereichs folgen (das sind die Straßenabschnitte mit den blauen Schildern mit dem Kind und dem Ball), nämlich Schritt fahren, so wie das auf sochen Straßen auch von Autofahrern gefordert wird. Das widerstrebt den Rasern unter den Radfahrern natürlich, weil sie, es ist schon kurios, offenbar über die gleiche Mentalität vefügen wie die Autoraser mit dem Bleifuß auf der Autobahn: Hoppla, jetzt komm ich, und alle anderen haben zu weichen, denn das Recht ist auf der Seite der Schnelleren. Traurig!

  2. Schade, dass sich in der „Vision“ von Frau Ernst zwar plötzlich „alle“ an die Straßenverkehrsordnung halten, aber letztlich doch wieder nur die Radfahrer/innen ihr Fett abbekommen.

    Spinnen wir es doch mal weiter:
    Alle Fußgänger/innen halten sich an die Straßenverkehrsordnung und überqueren keine rote Ampeln mehr – ist ja nicht so, dass dies nur Radfahrer/innen täten.

    Auch die Autofahrer/innen halten sich plötzlich an die Straßenverkehrsordnung und nehmen den Radfahrer/innen nicht mehr die Vorfahrt (was mir regelmäßig passiert!.

    Aber noch viel mehr: Fußgänger/innen gehen aufmerksam durch die Welt! Sie überqueren Straßen nicht nur nach „Gehör“, sondern schauen zunächst nach links und rechts und zwingen mich als Radfahrerin nicht mehr zu Vollbremsungen.

    Sie flanieren nicht mehr auf Radwegen (insbesondere mit Kinderwägen oder in Gruppen) und werfen keine bösen Blicke, wenn ich es wage, die Klingel zu benutzen.

    Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
    Halten wir doch einfach mal fest: Rücksichtslose Menschen gibt es überall!

    Auch ich ärgere mich manchmal über andere Radfahrer/innen – keine Frage. Trotzdem bin ich froh über alle, die ihr Auto stehen lassen und der Umwelt und Gesundheit zu Liebe mit dem Rad fahren.

  3. Immer häufiger frage ich mich, was die Verantwortlichen im Frankfurter Verkehrsdezernat während ihrer Arbeitszeit so machen. Und ich werde den Verdacht nicht los, dass sie über einem riesigen Stadtplan brüten und einer höheren (?!) Eingebung folgend Straßen grün markieren, die alsbald als radgeeignete Wege definiert werden. Die Heiligsprechung der Maßnahmen erfolgt dann durch den ADFC.

    Bevorzugt werden nach meinem Eindruck dabei Einbahnstraßen für den Radverkehr in der Gegenrichtung freigegeben, also für einen Verkehr, für den es objektiv gemessen keinen Raum gibt (geparktes Auto links plus geparktes Auto rechts plus Radweg rechts plus Radweg links plus Fahrweg für durchfahrenden PKW/Bus/Müllabfuhr-LKW einschließlich Sicherheitsabstand links und rechts). Vor allem, weil es sich nicht selten um Wohnstraßen mit Durchfahrtsbeschränkung handelt, wo widerrechtlich abgestellte Pendler-PKWs jeden Ansatz von ökologischem Verkehr (= wenig Autos, Bevorzugung von Fußgängern und Radfahrern) verhindern.

    Ideologisch mag eine solche Verfahrensweise ins Bild eines „grünen“ Dezernats passen, das vor allem an der Schaffung von Vorzeige-Projekten mit Alibicharakter interessiert ist. Aber mit Strukturpolitik hat das nichts zu tun. Denn in solchen Straßen werden die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer aufeinander losgelassen: Die Radfahrer auf die Fußgänger, die Autofahrer auf die Radfahrer und auf die Fußgänger und faktisch jeder auf jeden.

    Aber längst nicht nur die Wohnstraßen sind von dieser Neoliberalisierung des Frankfurter Verkehrs betroffen. Ein Beispiel: Auf dem besonders stark befahrenen Abschnitt der Mörfelder Landstraße zwischen Schweizerstraße und Wendelsplatz im Stadtteil Sachsenhausen (mit einer außergewöhnlich hohen Schadstoffbelastung der Luft) ist das Radfahren nur unter Lebensgefahr möglich. Es ist darum nachvollziehbar, dass die Radler die Gehsteige benutzen – allerdings zu Lasten jener Verkehrsteilnehmer, die dort die Schwächeren sind, nämlich der Fußgänger. Und wer im Wettkampf gegen die Fußgänger gestählt ist, zeigt erfahrungsgemäß auch wenig Sensibilität für rote Ampeln. Man wächst eben an den täglichen Herausforderungen des behördlich geduldeten Kleinkriegs.

    Als Fußgänger habe ich in diesem Wohngebiet wenig Chancen, völlig unbeschadet durch den Verkehr zu kommen. Falls ich den Radfahrern auf den Fußwegen entkommen konnte, muss ich mich zwischen parkenden Pendler-Autos durchzwängen, die die Gehsteige um ein Drittel, nicht selten um die Hälfte des nominal verfügbaren Raums schmälern. Ein leitender Mitarbeiter des Straßenverkehrsamts teilte mir auf meine Beschwerde hin vor einigen Monaten mit, dass die Differenzierung zwischen Anliegern und unberechtigt Parkenden schwierig sei. Angesichts solcher Argumente kann ich nur mit Bertolt Brecht kontern: „Die Blinden reden von einem Ausweg. Ich sehe.“

    Und ich sehe auf dem von meiner Wohnung aus unbeschränkt einsehbaren 100 m-Abschnitt im Durchschnitt 28 PKWs, deren Fahrer sich morgens nach dem Abstellen ihrer Fahrzeuge in Richtung Südbahnhof bewegen und die zwischen 16:30 Uhr und 19:00 Uhr von dort zurückkommen und die im Sinne der StVO keine Anlieger sind.
    Bei vorsichtiger Schätzung (erweitert auf 50 ähnliche Wohn- und Verkehrssituationen in Frankfurt) verzichtet die Stadt jährlich auf mindestens 10 Millionen Euro Bußgeld-Einnahmen. Zumindest so lange, bis das unberechtigte Parken in diesen Anliegerstraßen zu risikoreich geworden ist. Letzteres wäre aber ein Gewinn an Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer.

    Nicht mitgerechnet sind zu verhängende Bußgelder für Autofahrer, die die Fußgänger auf Gehsteigen völlig blockieren oder die ohne Unrechtsbewusstsein rote Ampeln missachten oder die beim Abbiegen Fußgänger und Radfahrer gefährden. Ganz zu schweigen von den Verstößen gegen Geschwindigkeitsbeschränkungen.

    Aber auf solche Maßnahmen verzichten die Behörden in Frankfurt anscheinend bewusst. Denn andernfalls bräche das Kartenhaus grüner Verkehrspolitik innerhalb weniger Wochen mit Getöse in sich zusammen. Und dann wäre man gezwungen, über eine Entflechtung der Verkehrswege konstruktiv nachzudenken, statt Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer in gemeinsam zu nutzende Räume zu zwängen, in denen es situationsbedingt immer wieder Verlierer (= Opfer) geben wird.

  4. Herr Borck-Elsner, was bedeutet für Sie, sich auf die Langsamen verlassen zu können? Dass sich diese, nämlich die Fußgänger, nur noch ständig ängstlich um sich blickend an den Hauswänden und Hecken entlangschleichen, damit die Schnellen freie Bahn haben? Schöne neue Welt!

  5. @Brigitte Ernst

    Nur mal möglichst sachlich beschrieben:

    Aus der Geschwindigkeitsdifferenz ergibt sich, daß der Schnellere den Langsamen als statisch wahrnimmt, und ihn in sein Navigationsbild als unbeweglich einfügt, um darauf seine Reaktionen abzustimmen. Da der Langsamere aber tatsächlich nicht statisch ist, benötigt der Schnellere deutliche Signale und berechenbares Verhalten vom Langsamen(was dem statischen am nächsten kommt), damit er selbst seine „freie Bahn“ berechnen kann.
    Der Langsamere verlangt aus seiner Sicht ebensolche Signale und berechenbares Verhalten, wobei der Langsamere mehr Zeit hat, sein Verhalten zu berechnen, der Schnellere weniger.

    (Später mehr)

  6. Das Schönste an Frankfurt am Main :

    Man kann wegziehen !

    Frau Deckert hat mehr als recht .

    Man könnte noch viel mehr dergleichen über die Frankfurter Radfahrer sagen ,
    aber das würden die FR dann nicht drucken .
    Es gab vor längerer Zeit einen Artikel über eine Begehung der Zeil ,
    immerhin Fußgängerzone , in der Taunuszeitung ,
    in diesem Artikel wurde geschildert wie Jonny Klinke
    ( genau der ! Tigerpalast ! )
    mit dem Fahrrad mit mindestens 30 Sachen über die Zeil gerast ist.

    Das hat den Grünen Stadtdezernenten , mit dem die Taunuszeitung diese Begehung gemacht hat aber nicht größer interessiert .

    Das ist Frankfurt . Wenn einen das stört , gibt es eine Lösung : wegziehen !

    Woanders ist es tatsächlich schöner .

    Wie sagte eine Praktikantin aus Toronto vollkommen verstört zu mir ,

    vor einigen Jahren :

    “ People are so gross ( so rüpelhaft ) around here ! “

    Im schönen Kanada kennen sie so etwas nicht , wie den Frankfurter Haß .

    Einen schönen Tag noch . . .

    Wolfgang M . Käfer , bald nicht mehr in Frankfurt am Main

  7. Forts.

    Der Schnellere erwartet also, daß sein Geschwindigkeits-Nachteil, nämlich die mangelnde Reaktionszeit, vom Langsameren durch umsichtiges Verhalten ausgeglichen wird. Ob er das erwarten darf und kann, ist eine andere Frage.
    Gegenseitig von allen erwarten kann man, daß keine plötzlichen Spurwechsel stattfinden, und man nicht die Spuren kreuzt, ohne sich und andere abzusichern.

  8. Was mich an der Debatte am meisten nervt, ist der Unterton „Fahrradfahrer glauben, sie sind bessere Menschen und fahren daher rüpelhaft“. Das ist nahe am typischen „Gutmenschen“-Bashing a la AfD und der Website „politically incorrect“. Sehr viele Fahrradfahrer fahren tatsächlich rücksichtslos, ich muss leider sagen, dass es noch einmal etwas weiter verbreitet ist als bei Autofahrern (von denen auf den Frankfurter Hauptfahrradstrecken z. B. erstaunlich viele auf ihre Vorfahrt rechts vor links verzichten, wahrscheinlich nicht aus Nettigkeit, sondern aus der Überlegung „da kommt ein Radler, der hält eh nicht“). Aber die Radfahrer halten sich, denke ich, ganz überwiegend genauso wenig für die besseren Menschen, wie diejenigen SUV-Fahrer, die Radfahrer durch rücksichtsloses Abbiegen, mangelnden Seitenabstand etc. gefährden. Aus meiner Sicht gibt es drei Ursachen für die Ignoranz gegenüber der StVO: 1. schlechter Charakter/fehlende Empathie (soweit man Menschen nach ihrem Aussehen beurteilen kann und darf, sind die schlimmsten Rüpel eher heranwachsende oder geistig in diesem Stadium verbliebene Draufgänger, Fixie-Hipster und ähnliche Gestalten als die typischen Ökos) 2. Sorglosigkeit, Faulheit und Fehleinschätzungen (das sieht man schon daran, dass viele ohne Helm fahren – wer Radfahren zu Recht als etwas sehr Gefährliches betrachtet, würde nie ohne Helm fahren; Fahrradfahrer glauben auch, sie könnten die Verkehrsregeln genauso ignorieren, wie das Fußgänger machen – s. rote Ampeln -, weil ja eh nichts passiert, man einen guten Überblick hat und man jederzeit anhalten kann – das ist für mich der Grund, dass so viele Fahrradfahrer sich an nichts halten, denn eine allgemein rücksichtslose Einstellung ist wohl kaum so weit verbreitet wie diese Fahrweisen) 3. (in Teilbereichen) Unkenntnis (z. B. zum richtigen Verhalten auf für Radfahrer und Fußgänger freigegebenen Wegen, zur Vorfahrt bei Straßen mit abgesenktem Bordstein).

    Falsch finde ich auch das ständige „rücksichtslose Verkehrsteilnehmer gibt es in allen Gruppen“. Das stimmt natürlich, aber es führt nicht weiter. Wer mit offenen Augen durch die Stadt fährt oder läuft, wird sehen, dass Fahrradfahrer die meisten Regelverstöße begehen. Ich fühle mich manchmal als der einzige, der wirklich an jeder roten Ampel hält und (fast) jeden Abbiegevorgang anzeigt, sich bei (fast) jedem Abbiegen vorher umsieht, nie auf der falschen Seite fährt etc. Aktiv bedrängt, mit Prügeln bedroht und genötigt wird man hingegen weitaus häufiger von Autofahrern (vielleicht, weil sie doch die schlechteren Menschen sind … nein! weil das Auto Menschen, die ohnehin unsympathisch sind, Sicherheit, Ego-Boost und Machtgefühl verleiht, was sie dann auf diese Weise ausleben – Beleidigungen, die von Fahrradfahrern ausgehen, sind nach meiner Erfahrung eher mit der Grenzerfahrung verbunden, fast durch andere Verkehrsteilnehmer zu Fall gebracht worden zu sein, egal wer daran schuld ist). Fußgänger sind eher durch Dusseligkeit eine Gefahr (Stichwort „Straße queren nach Gehör“).

    Für verfehlt halte ich auch die Schlussfolgerung „da Radfahrer sind nicht an die Regeln halten, sollte man so wenig wie möglich für den Radverkehr tun“ bzw. diesen durch Kennzeichenpflicht etc. bürokratisieren und damit marginalisieren. Das ignoriert zum einen, dass eine Förderung des Radverkehrs ökologisch sinnvoll ist und dass, wie bereits von anderen betont, Frankfurt trotz aller Bemühungen immer noch eine „autogerechte Stadt“ im Sinne einer überkommenen Verkehrspolitik ist. Zum anderen fördert man damit Ausweichbewegungen z. B. auf die Bürgersteige (mal ganz abgesehen davon, dass es sehr ungerecht ist gegenüber dem perfekten Verkehrsteilnehmer, nämlich dem rücksichtsvollen Radfahrer). Dass man, wie ein Vorredner betont hat, etwa bei der Freigabe von Einbahnstraßen gegen die Fahrtrichtung im Wortsinne etwas mehr Augenmaß walten lassen sollte, steht auf einem anderen Blatt (verzichtet werden kann auf diese Maßnahme aber auf keinen Fall, z. B. ist die Route Burgstraße – Elkenbachstraße – Mauerweg angenehm und gefahrlos in beide Richtungen befahrbar). Auch das ganze neumodische Zeug wie die Schachbrettstreifen am Martin-Luther-Platz oder der Pseudo-Kreisverkehr am Luisenplatz ist nicht das Gelbe vom Ei (besser: klare Regeln – entweder Zebrastreifen, dann hat man zu halten, oder keine, dann haben die Fußgänger abzuwarten bzw. man muss nur beim Abbiegen besondere Rücksicht nehmen).

  9. Anscheinend ist es so, dass eine höhere Geschwindigkeit als die Schrittgeschwindigkeit zu Egoismus und Rücksichtslosigkeit führt, der Drang der ungestörten Fortbewegung, sich frei zu fühlen. Kommt einem dann jemand in die Quere, wird man aggressiv. Beim Autofahrer kann man das genau so beobachten, deshalb werden die Autofahrer auch diszipliniert mit Führerschein, Verkehrsregeln und Geldstrafen. Bei Radfahrern gibt es keinen Überwachungsdruck, das wird ausgenutzt. Ich fordere sehr viel höhere Geldstrafen für Radfahrer, da darf dann das Gehwegradeln schon mal 200 Euro kosten und jeder Polizist und Ordnungsbeamte bekommt die Hälfte als Provision, dann hört dieses asoziale Verhalten in ein paar Wochen auf.

  10. Menschen halten sich an Regeln, wenn sie sie für sinnvoll halten oder wenn sie mit Strafandrohung durchgesetzt werden, hat schon Rousseau erkannt.
    Zwei Minuten an einer roten Ampel halten, wenn man ohne Probleme schnell rüber fahren kann, wird eben nicht für sinnvoll gehalten und das Risiko einer Strafe ist gering.

  11. @Romanova: Ich hoffe, dass das beliebte „auf-Geh-und-Radwegen-Parken“ dann auch mit 200 Euro geahndet wird! Und was soll das „Auf-dem-Radweg-Laufen“ kosten…?

    Ich schlage allerdings vor, die „Provision“ lieber in eine sinnvolle Verkehrsplanung zu stecken. In vielen Städten sind die Radwege eine Katastrophe und die Ampelschaltung ist nur auf den Autoverkehr ausgerichtet.

    @Fahrradpendler „wer Radfahren zu Recht als etwas sehr Gefährliches betrachtet, würde nie ohne Helm fahren;“ – leider ist es gar nicht so einfach! Im März wurde von Studien berichtet, die ergaben, dass Autofahrer/innen sich gegenüber Helmträger/innen, rücksichtsloser verhalten…
    http://www.taz.de/!119980/

    Ich trage trotzdem einen Helm, aber man kommt ins Nachdenken!

    Ansonsten stimme ich Ihnen an vielen Punkten zu: Der Radverkehr sollte eher ausgebaut und gefördert werden (würde vielleicht zu mehr Rücksicht führen…).

  12. Was mir immer öfter aufstößt ist, dass die Strasse zum Bürgersteig mutiert. Ich wohne im schönen Bornheim, da sind die Fußwege schon mal eng, weil zugeparkt, und vielleicht ist das der Grund. Ärgerlich ist es dennoch! Der Höhepunkt: Vergangenen Freitag schiebt eine junge Frau ihren Sprößling im Kinderwagen mitten auf der Strasse, dazu noch auf Kopfsteinpflaster. Ich spreche Sie an und weise darauf in, dass die Straße für Autos und nichts für Kinderwagen ist und bekomme die Antwort, ihr Kind könne nicht einschlafen, deswegen nehme sie den Weg auf dem Kopfsteinpflaster. Und ich hätte sicher keine Kinder, sonst würde ich sie nicht so anmachen.

  13. Frau Decker hat vollkommen recht. Seit 48 Jahren fahre ich Fahrrad, aber was ich in Berlin täglich erlebe als Fahrradfahrerin, Autofahrerin und Fußgängerin, ist katastrophal. Rasende Radfahrer überholen mich rechts, rasen auf den Gehwegen, fahren ohne Licht, werden extrem frech, wenn man sie auf ihre Fehler aufmerksam macht. Einige Radfahrer haben Menschen hier in Berlin zu Tode gefahren.
    Viele dieser Radfahrer haben überhaupt keine Ahnung von Verkehrsregeln, darum wäre es am besten, man führte einen Fahrradführerschein ein und jedes Rad erhielte ein Nummernschild, so dass man diesen Verkehrsrüplern habhaft werden könnte. Natürlich gibt es auch die „Guten“, aber die fallen nicht auf. Die Politik sollte sich um die rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer kümmern und entsprechende Maßnahmen ergreifen.

  14. Im Grunde nehmen sie sich beide nichts: der Fußgänger, der mit zugestöpselten Ohren nicht auf das Klingeln des Radfahrers reagiert oder seinen freilaufenden Hund nicht einsammelt, und der Radfahrer, der von hinten angebraust kommt ohne zu klingeln, weil er gar keine Klingel hat – entgegen der klaren Vorschrift des § 64a Straßenverkehrszulassungsordnung, wonach „Fahrräder und Schlitten … mit mindestens einer helltönenden Glocke ausgerüstet sein“ müssen. Diesen ignoranten Verstoß sollte die Polizei den Betreffenden endlich mal kostenpflichtig austreiben, meint das langjährige ADFC-Mitglied.

  15. Diese radlerverachtenden Rentner verwechseln etwas: Sie machen ihre überzogenen Ängste zur Wahrnehmung. Wie oft oft werden denn Frau Decker & Co. tatsächlich von mordenden Rüpelradlern angegangen?

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