Die überhebliche Vorstellung, dass die eigene Macht gottgegeben sei

Am 26. März hat Natalie Soondrum, meine Urlaubsvertretung folgenden offenen, an die Bundesregierung gerichteten Brief veröffentlicht. Christina Klaus, so heißt die Autorin, war als Austauschstudentin in Palästina, und was sie dort erlebt hat, scheint sie ziemlich empört zu haben. Ich veröffentliche den Brief nun auch hier im FR-Blog – und dazu natürlich auch die Reaktionen der FR-Leserinnen und -Leser.

Christina Klaus aus Halberstadt schrieb:

„Ich bin eine Studentin im internationalen Programm einer palästinensischen Universität im Jahr 2014. Während meines kurzen Aufenthaltes wurde ich Zeugin von direkten Tötungsaktionen der israelischen Besetzungskräfte, die mein Heimatland, Deutschland, durch politische Abkommen, Handel, Bildung, militärische und materielle Versorgung, Passivität und Nicht-Handeln unterstützt.
Die Trauerfeiern in diesen Tagen sind wieder groß und fordern viele Tränen, wie sonst vom Gas israelischer Soldaten wöchentlich in unzähligen Dörfern der Region. Menschen werden von einer staatlichen Armee hier täglich schikaniert, tyrannisiert und getötet. Als Zeuge, wen ruft man an? Polizei – keine Befugnis. Allah! Herrscher über Alles. Seine Größe gibt den Menschen hier die ihre. Er gibt ihnen ihr Recht auf Leben, das sonst von allen Seiten verwehrt bleibt. Tränengas auf Trauerfeiern. Will Israel einen Anschlag? Brauchen Sie einen Grund?
Mit jeder neuen gewalttätigen Enteignung von Leben, Land und Gut, jedem neuen Siedlerhaus, Kind in Gefangenschaft und entwurzelten Baum verlieren sie ihre Legitimation. Mitschuld trägt die Geduld der Palästinenser mit ihren Unterdrückern und eine aufgeklärte/-klärende Presse. Letztere sind jedoch in der Minderheit. Also sticheln sie weiter, reizen die Unbekannten im Schatten des Weltinteresses. Dann plötzlich „BUMM“ – die Getretenen werden zu Terroristen. Die Aufregung ist groß. Jedes gekrümmte Haar auf israelischer Seite bekommt eine Schlagzeile, blau auf weiß, international. Und dann großes Kopfnicken zu jeder nun folgenden Ungerechtigkeit gegen jeden Palästinenser – Kollateralschuld! Und nach den Ursachen fragt niemand. Und Deutschland schenkt U-Boote, getrieben von einer Schuld, deren Wiedergutmachung die Opfer verhöhnt und neue fordert.
Ich verlange Taten und eine starke Zurechtweisung Israels durch Deutschland. Aufgewachsen in einem Rechtsstaat, in dem Bürger ordentliche Gerichtsverfahren genießen und im Falle tödlicher Gefahr Rettungsnummern wählen können, betrat ich ein rechtliches Vakuum namens „Westjordanland“. Viele der ausländischen Studenten verbergen die alltägliche Wahrheit und kommunizieren sie nur verdeckt, aus Angst vor einem Wiedereinreiseverbot durch die israelischen Behörden, das über einen Zeitraum von zehn Jahren oder sogar lebenslänglich ausgesprochen werden kann.
Wir kamen alle, um die Sprache und die Situation der Palästinenser zu studieren, einschließlich aller Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit auf diesem Flecken der Erde. Wenn Europa sich als Heimstätte der Menschenrechte betrachtet, welche besonders an ihrer Peripherie verblassen, dann sollte endlich von diesen in all ihrer Universalität Gebrauch machen und ihre Partner an ihre Werte binden.
Wer Waffen verkauft, tötet, wer tödliche Regime unterstützt, tötet. Entwicklungsprojekte, medizinische Unterstützung, Infrastruktur und interkulturelle Demokratieworkshops können die Schuld, die wir durch unsere Doppelmoral auf uns laden, nicht kompensieren.
Sartre im Vorwort zu Frantz Fanon’s „Die Verdammten dieser Erde“ 1963:
‚Ihr, die ihr so liberal, so menschlich seid, die ihr die Liebe zur Kultur bis zur Preziosität treibt, ihr scheint zu vergessen, daß ihr Kolonien habt und daß man dort in eurem Namen mordet. Unsere Opfer kennen uns durch ihre Wunden und ihre Ketten: das macht ihr Zeugnis unwiderlegbar. Es genügt, daß sie uns zeigen, was wir aus ihnen gemacht haben, um zu erkennen, was wir aus uns gemacht haben.“
Ich muss die Opfer nicht zählen und Euch die Realität dieser Region nicht offenbaren. Ihr und Eure Überwachungsorgane wisst mehr als wir alle. Nur nutzt Eure Macht und fangt an, die Schäden Eurer Doppelmoral und historischen Verantwortung zu bereinigen!'“

Darauf schreibt Erwin Chudaska aus Roedermark:

„Vorab ein ganz wichtiges Zitat aus der Bibel , wo der Gott Israels (auch unser Gott ) spricht: „Wer mein Volk antastet, der tastet meinen Augapfel an“. Deutliche Worte! Die Studentin, die den absolut naiven und realitätsfremden Leserbrief schrieb, war nur kurz in der Westbank. Ihre verbalen, völlig verdrehten Angriffe in Richtung des Staates Israel bringen die Israelis und mich nur zum Schmunzeln. Und sollte die junge Studentin vielleicht das Donnern von israelischen Kampfjets oder von Kampfhubschraubern erlebt haben, dann sollte sie dieses als klare Warnung deuten.
Es wird immer wieder zu gezielten Tötungen von unverbesserlichen Hass-Terroristenführern kommen. Und das ist gut so. Nur die Attentäter , die während der Nazizeit versuchten, führende Nazigrößen zu töten, waren die „wahren Helden“.
Die vielen moderaten Palästinenser, die ich während meiner dreijährigen beruflichen Zeit als Freunde kennenlernte, würden mir in meiner Sicht zustimmen. Der Mob natürlich nicht. Es kann in einer Zeit , wo Islamisten etwa in Syrien immer mehr an Macht gewinnen, keine „falsche Toleranz“ mehr geben. Und unserer jungen deutschen Studentin rate ich: Einfach mal in das „Buch der Bücher – die Bibel“ schauen. Dort findet man die Antworten auf so viele Fragen. Auch ich durfte dies im fortgeschrittenen Alter erleben. Und eins habe ich mir vorgenommen : Dumm sterben möchte ich mal nicht.“

David Palme aus Frankfurt:

„Ich bin empört, dass Sie diesen offenen Brief abdrucken. Frau Klaus’„Bericht“ ist nicht nur voll von Übertreibungen, Pauschalisierungen und falschen Annahmen, sondern auch zutiefst antisemitisch, antiisraelisch und kriegstreiberisch, obwohl sie sich vermutlich friedliebend dünkt.
Bei Sätzen wie „Mitschuld trägt die Geduld der Palästinenser mit ihren Unterdrückern“ und „Ich verlange Taten“ oder „fangt an, die Schäden Eurer Doppelmoral und historischen Verantwortung zu bereinigen“, drängt sich die Frage auf, welche Gewalt- oder gar Vernichtungsphantasien Frau Klaus gegenüber dem jüdischen Staat hegt. Ausgerechnet Deutschland ruft sie dazu auf, endlich mal gegen Israel vorzugehen. Als hätten „die Deutschen“ nicht schon viel zu viele Juden getötet.
Wie Frau Klaus zu der Annahme kommt, dass jede Ungerechtigkeit gegen die Palästinenser von der internationalen Gemeinschaft abgenickt wird, kann nur über ihren Antisemitismus erklärt werden, denn die UN schweigt ganz und gar nicht dazu, ebenso wie die Zeitungen leider immer wieder gefüllt sind von Briefen und Artikeln, wie denen der Frau Klaus. In ihrem Satz „Getrieben von einer Schuld“, den die FR sogar fett hervorgehoben hat, verdreht sie die Geschichte auf unerträgliche Weise. Frau Klaus fragt, ob Israel einen Anschlag will, verdreht die Opfer-Täter-Verhältnisse im palästinensischen Terrorismus. Sie spricht den Palästinensern jeglichen Handlungsspielraum, ja jede Vernunft ab, indem sie behauptet, Gewalt sei deren einzige mögliche Antwort und diese sei nur von Israel inszeniert, um wieder gegen die Palästinenser vorzugehen.
Wenn Israel das wollte, hätte es die Palästinenser schon längst getötet. Offensichtlich ist dies nicht das Ziel Israels. Und offensichtlich ist ein friedlicherer Weg möglich, wie der Rückgang der Anschläge auf Israel gezeigt hat. Dass sie dazu auch noch den auf Algerien bezogenen anti-kolonialen Fanon für die Situation im Nahost-Konflikt anführt, zeigt davon, dass ihr die tatsächlichen Verhältnisse völlig egal sind.
Selbstverständlich handelt es sich um einen Leserbrief und die persönliche Meinung von Frau Klaus. Allerdings handelt es sich bei diesem indirekten Kriegsaufruf, der ähnlich zu bewerten ist, wie das Gedicht von Günter Grass, welches vor kurzem fürAufsehen sorgte, um eine gefährliche Propagandaschrift.
Die FR hätte besser getan, nicht ausgerechnet diesen Text abzudrucken, oder ihn wenigstens zu kommentieren. Er geht auch über andere unangebrachte Ausdrücke, wie sie in Leserbriefen oft vorkommen, hinaus, wie hoffentlich klar geworden ist. Ich bin empört und enttäuscht.“

Insbesondere der Leserbrief von Herrn Chudaska zeitigte seinerseits Reaktionen. So schrieb mir der Pfarrer im Ruhestand Friedrich Gehring aus Backnang:

„Dass Herr Chudaska nicht „dumm sterben möchte“, ist sehr löblich, deshalb sollte er auch „im fortgeschrittenen Alter“ weiterhin im „Buch der Bücher“ nachlesen. Dort könnte er entdecken, wie der Gott Israels gelegentlich mit seinem Volk, seinem „Augapfel“ (Sacharja 2,12), umgegangen ist: Nachdem die Israeliten Jahrzehnte lang dem Bußruf der Propheten Gottes ungehorsam waren (Jeremia 25,1-7), hat ihr Gott sie im 6. Jahrhundert v. Chr. durch Nebukadnezar, den König von Babel, für 70 Jahre aus der Heimat ins babylonische Exil verschleppen lassen (Jeremia 25, 8-11), wo sie bitterlich weinend sich in terroristischen Rachefantasien ergingen (Psalm 137).
Gott hat sein Volk durch seinen Sohn Jesus warnen lassen: „Wer zum Schwert greift, wird durchs Schwert umkommen“ (Mt 26,52). Doch Israel hat sich 66-70 n. Chr. militärisch gegen die römische Besatzungsmacht erhoben und musste daraufhin bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts von der politischen Landkarte verschwinden. Wenn das Volk Israel weiter auf das „Donnern von israelischen Kampfjets oder von Kampfhubschraubern“ vertraut und nicht „Schwerter zu Pflugscharen“ (Jesaja 2,4), d. h. Kampfflugzeuge zu Zivilflugzeugen macht, darf es sich dann wundern, dass sein Gott ihm heute Terroristen schickt wie einst den König Nebukadnezar? Wenn wir nicht wollen, dass die Israeliten „dumm sterben“, sollten wir sie motivieren, sich rechtzeitig mit den „moderaten Palästinensern“ zusammenzutun und einen gerechten Frieden auszuhandeln, wie er in Jesaja 2,1-5 von Israels und unserem Gott verheißen wird. Das ist die Absicht Gottes mit seinem „Augapfel“ Israel.“

Christoph und Gabriele Kupferschmid aus Ulm:

„Es gibt sie also noch, die Ausrottungsfantasien. Man könnte sie töten, wenn man nur wollte, notfalls alle. Die Option zu töten, die David Palme in seinem Leserbrief vom 29. März benennt, wird von Israel immer wieder wahrgenommen. Tötungen sind eine Realität, gezielte und ungezielte. „Kollateralschuld“ (Klaus) wird zuweilen mit dem Tode bestraft. Erwin Chudaska präsentiert in seinem Leserbrief die passenden Motive: Es ist „der Mob“, es sind die „Hass-Terroristenführer“, keine wirklichen Menschen, also keine „falsche Toleranz“ bitte. Es gibt anscheinend gute Tötungen und schlechte Tötungen. Nicht Christina Klaus, sondern andere hegen die Vernichtungsfantasien, und diese dünken sich die Guten. Genau dies ist der Geist, der die Opfer des Holocaust verhöhnt: Die überhebliche Vorstellung, dass die eigene Macht und Größe gottgegeben seien gepaart mit Rassismus.
Die guten und auserwählten Herren dürfen töten. Tödliche Vergeltung ist ihr Metier anstelle einer gewaltfreien Kommunikation. Wer das kritisiert, erhält das wohlfeile Prädikat Antisemit. Man sagt, er/sie verdrehe die Geschichte oder sei einfach dumm. Der Vorwurf, Frau Klaus rufe Deutschland auf, gewaltsam gegen Israel vorzugehen, ist absurd. Wir können ihren betroffenen Aufschrei verstehen.“

Michael Strake aus Hütschenhausen:

„Herr Chudaska beginnt seinen Leserbrief zum Verhältnis des heutigen Staates Israel zu Palästina mit „einem ganz wichtigen Zitat aus der Bibel, wo der Gott Israels … spricht: „Wer mein Volk antastet, der tastet meinen Augapfel an“.“
Wer das Zitat in der Bibel sucht, findet es beim Propheten Sacharja im 2. Kapitel. Wir wissen ausnahmsweise ziemlich genau, wann Sacharja dieses Gotteswort verkündete: zwischen 520 und 518 vor Christus. Für wen? Für das Volk Israel, das nach der Zerstörung des Staates und nach dem babylonischen Exil nun in der trostlosen Gegenwart lebt, noch immer in einer Satrapie des persischen Reiches. Nur wenige Zeilen weiter heißt es: „Der Herr [also: der Gott Israels] wird Juda in Besitz nehmen, … er wird Jerusalem wieder auserwählen.“2500 Jahre später, 65 Jahre nach der Gründung des modernen Staates Israel mit Staatsbürgern jüdischen, islamischen und christlichen Glaubens, aber auch vielen Agnostikern und Atheisten, zitiert Herr Chudaska den Gottesspruch des Propheten Sacharja, um seine Sicht des Israel-Palästina-Problems zu untermauern. Er zitiert natürlich nicht andere Prophetensprüche aus der Bibel, in denen Gott dem Volk Israel wegen seiner Vergehen die Vernichtung, zumindest aber die Bestrafung ankündigt (s. etwa die ersten Kapitel bei Jeremia oder die Drohreden bei Hosea).
Solch eine Art, die Bibel zu benutzen, nenne ich fundamentalistisch. Einzelne Bibelverse werden, ohne Beachtung ihres historischen oder literarischen Zusammenhanges, aus ihrem Kontext gerissen und dienen als Mauersteine für die eigene politische Meinung in der heutigen Zeit.
Ich stimme Herrn Chudaska völlig zu, wenn er bekennt: In der Bibel „findet man die Antwort auf so viele Fragen.“ Allerdings nur, wenn man die Zusammenhänge in der Bibel beachtet und nicht vergisst, dass wir 2000 bis 3000 Jahre später leben als die biblischen Schriftsteller.“

Hans Oette aus Neuenstadt:

„Zu den Leserbriefen von Frau Klaus und Herrn Palme betr. Israel: Ich bin nicht empört darüber, dass die FR mutige Leserbriefe abdruckt. Der mutigen Studentin würde ich gerne sagen, so etwas wie die Antwort von Herrn Palme war zu erwarten, verlieren Sie bitte trotzdem nicht den Mut.“

Dr. Dietmut Thilenius aus Bad Soden:

„Tötungsaktionen musste ich auf meiner Reise im Westjordanland im Jahr 2012 nicht erleben, aber sonst deckt sich der Brief der Austauschstudentin „an meine Bundesregierung“ mit meinen Reiseerfahrungen. Die israelische Politik der Vertreibung, Enteignung, der Einkerkerung und Demütigung, der Gewalt ist völlig entgegengesetzt den Werten der Gerechtigkeit und Achtsamkeit gegenüber den Mitmenschen, die einstmals aus diesem Land weltweit verbreitet wurden. Den Mensch auf der anderen Seite als Terrorist einzustufen und damit alle Gewalt zu rechtfertigen, zerstört nur.
Wenn wir uns informieren wollen über die von Politikern verdrängte Situation der Palästinenser, ist das Buch von der Palästinenserin und Biologin Sumaya Farhat-Naser „Im Schatten des Feigenbaums“ sehr aufschlussreich.“

Verwandte Themen

8 Kommentare zu “Die überhebliche Vorstellung, dass die eigene Macht gottgegeben sei

  1. Krieg ist immer ungerecht. Egal von welcher Seite man schaut. Besonders wenn er schon Jahrzehnte geht. Es gibt aber noch viel mehr Kriege auf der Welt, auch wenn sie sich nicht auf das Buch er Bücher beziehen können. Vor 70 Jahren war in Europa übrigens auch Krieg und ich kann nicht erkennen was die beiden Kriege miteinander zu tun haben.

  2. Frau Klaus sieht die Sache zu einseitig , die palästinensische Seite macht in erheblichen Teilen keinen Hehl daraus , wie man mit Israel zu verfahren gedenkt , hätte man denn die Chance dazu.

    Daß es diese Leute aber auf beiden Seiten gibt , zeigt die Aussage von Herrn Chudaska ,der Vergleich mit Nazi-Attentätern ist nicht nur grenzwertig , sondern auch inhaltlicher Unfug.
    Nazi-und Hitler-Attentäter waren Helden , in der Tat , sie standen als Einzelne auf gegen einen starken Staat und ein jubelndes Volk und riskierten dabei ihr Leben und brutale Folter.

    Das kann man auf keinen Fall gleichsetzen mit einem Staat Israel , der aus einer starken und ungefährdeten Position heraus auf ziemlich wehrlose Personen losgeht, das gilt auch dann , wenn sich diese Personen eines Verbrechens schuldig gemacht haben.
    Eben das ist eine wesentliche Legitimation des staatlichen Gewaltmonopols , daß der Staat eben nicht eins zu eins mit gleicher Münze heimzahlen darf , sondern den Strafverfolgten moralisch überlegen sein muß.

    Solange die Israelis mehr Rache als Gerechtigkeit üben , werden sie sich immer neue Terroristen heranzüchten und dürfen sich darüber dann auch nicht wundern.

  3. Ich denke, den wenigsten Besuchern des Vorderen Orients kann es gelingen, völlig objektiv eine so komplizierte Lage zu beschreiben und gar zu beurteilen.
    Erstens, weil sie eine „Meinung“ schon von zuhause mitbringen. Zweitens, weil sie doch immer wieder das „sehen und hören“, was sie sehen und hören wollen.
    Und drittens, weil es einem einzelnen Menschen unmöglich gelingen kann, alle Gründe und Ereignisse der Vergangenheit zu erfassen und zu verarbeiten.

    Was mich am meisten bei den Antworten auf den Offenen Brief entsetzt, ist die Argumentation mit Zitaten aus der Bibel. Dem angeblichen Wort Gottes. Ich blicke auf den Kalender : Da steht wirklich das Jahr 2014 ! Und ich lebe in einem bildungsmäßig mit an der Spitze stehenden Landes. Irre Zeit – irre Welt…

  4. @ werner.h

    „Was mich am meisten bei den Antworten auf den Offenen Brief entsetzt, ist die Argumentation mit Zitaten aus der Bibel.“
    Du sprichst mir aus der Seele! Danke für diesen Satz.
    Die Bibel ist natürlich ein faszinierendes Buch. Gerade kommt der Film „Noah“ in die Kinos. Darin geht es um Fundamentalismus, wenn ich Daniel Kotenschulte in der FR richtig verstanden habe. Ich weiß noch nicht, ob ich mir den Film ansehen werde. Aber was mir schon eine ganze Weile durch den Kopf geht, ist diese Sache mit den Bibelversen. Was für ein Unheil ist in deren Namen schon angerichtet worden. Und trotzdem dient dieses Buch manchen Menschen offenbar immer noch zur Orientierung in allen möglichen Fragen, sogar in aktueller Politik. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, das passiert vor allem dann, wenn jemand besonders unsicher ist. Dann ist es wohl besonders verführerisch, sich mit der Autorität von dreitausend Jahren zu verbünden.

  5. FR, heute, 10. April 2014:
    Inge Günther: Netanjahu verhängt Kontaktsperre
    Uwe Becker: EU muss Israel stärken

    Es mag eine geschickte Taktik der FR zu sein zwei so kontroverse Beiträge zu veröffentlichen. Uwe Becker spricht vermutlich Erwin Chudawska und Frank Palme (siehe oben) eher „aus der Seele“ als den Christina Klaus zustimmenden Kommentatoren… Mir stellen sich da einige Härchen auf.
    Hingegen ist Inge Günthers Beitrag kein ideologisches Bekenntnis, sondern offensichtlich ein Wiedergabe dessen, was aktuell passiert. Wie kann man mit einem Funken von Gerechtigkeitsgefühl gutheißen, dass mitten in einem songenannten Friedensverhandlungsprozess Israel 700 (!) Siedlungswohnungen in Jerusalem ankündigt? Das Dauerthema „Siedlungsbau“ scheint mir nach wie vor eine Dauerprovokation gegenüber den Palästinensern… Herr Kerry, welche Befugnisse haben Sie eigentlich zur LOösung dieses Konflikts?
    Schade, dass Avi Primor nicht mehr Leitartikel zu diesem Thema liefert…

  6. Danke FR, dass Sie mit dem heutigen Gastbeitrag von Tsafrir Cohen „Keine blinde Solidarität mit Israel“ eine klare Erwiderung auf den gestrigen Beitrag von Uwe Becker veröffentlicht haben. Dass er Ehud Olmers zitiert, der das Fortschreiten der Perfektion der der ethnisch-religiösen Segregation in Israel …mit Südafrikas Apartheidsystem vergleicht, ist eine klare Aussage. Es gab und gibt genügend Beiträge in den Medien, die diesen Schluss zulassen. Herrn Becker mögen die Beobachtungen und Schlüsse Cohens nicht in sein Denkmuster passen, auch wenn er notgedrungen zugeben muss, dass Cohens „Erfrahrungsvorsprung“ nicht wegzuwischen ist.
    Herr Cohen verdient mehr Aufmerksamkeit!

  7. noch ein Kommentar… (dann ist ’s aber genug):
    Wer heute nicht auf Arte oder BR ganz oder teilweise das beeindruckte Projekt „24 Stunden Jerusalem“ gesehen hat, sollte es auf Arte+7 oder BR Mediathek nachholen. Bis morgen früh um 6 Uhr läuft die Sendung noch… Schon nach den wenigen Stunden, in denen ich einen Teil der Sendung verfolgt habe, kann ich jedem empfehlen, sich mit offenen Augen, Ohren und Sinnen auf daqs Projekt einzulassen. Es gibt genügend sicht- und hörbare Beispiele, Vorurteile über Bord zu werfen! Schade, das solch ein Projekt nicht Zwangs“unterricht“ für alle ist, die sich mit dem Israel-Palästina-Thema befassen.

  8. Wer ist jener Herr Uwe Becker, dass die FR ihm einen hervorragenden Platz für seine einseitigen Ansichten zur Verfügung stellt? Das Gegenteil ist wohl richtig, die EU muss auf Israel Druck ausüben, um im Friedensprozess weiterzukommen. Sonst kommt es wohl zu einer langfristigen Annektierung des Westjordanlands. Die Intelligenz der Palästinenser wird auswandern, zurück bleiben die billigen Arbeiter für die israelischen Betriebe. Von denen ist kein Aufstand mehr zu erwarten. Von Amerika, das den Konflikt lösen könnte, ist aus innenpolitischen Gründen nichts zu erwarten. Obama kommt dort an seine Grenzen. Israel muss zu einigen schmerzlichen Zugeständnissen kommen (Einstellung des Siedlungsbaues, Rückzug aus der Westbank und aus Ostjerusalem).
    Schikanöse Behandlung
    Dieser Herr spricht nur über Israelis und ihre Leiden, über die Leiden und Einschränkungen der Palästinenser sagt er leider gar nichts. Die Besetzung des Westjordanlandes vor über 40 Jahren, die Abkapselung des Gazastreifens, das größte Freiluftgefängnis der Welt. Die Durchlöcherung der Westbank wie ein Schweizer Käse mit Siedlungen und Militäreinrichtungen, die Beschlagnahme des Jordantales mit seinen Wasservorräten, die hauptsächlich den Israelis zugutekommen, die schikanöse Behandlung der Palästinenser mit Häuserabriss und Enteignungen. Israel entwickelt sich allmählich zu einem Apartheidstaat.

Kommentarfunktion geschlossen